Das Vermögen wächst, aber nicht für alle

Berlin · 6,3 Billionen Euro beträgt das private Nettovermögen in Deutschland. Aber viele Menschen bekommen von dem Kuchen wenig ab. Zwei Drittel aller Arbeitslosen haben gar keine Rücklagen oder gar Schulden. Und in Ostdeutschland ist das Vermögen nur halb so groß wie im Westen.

Berlin. Deutschland ist ein reiches Land. Auf stolze 6,3 Billionen Euro belaufen sich mittlerweile die privaten Nettovermögen. Doch in keinem Land der Eurozone ist dieses Vermögen ungleicher verteilt. Und daran hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum etwas geändert. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erstellt und gestern in Berlin vorgestellt wurde.Im Schnitt hohes Niveau


83 000 Euro - über soviel Vermögen verfügt laut DIW durchschnittlich jeder Erwachsene zwischen Flensburg und dem Bodensee. Im Nettovermögen eingeschlossen sind Geldanlagen, private Versicherungen, Bausparverträge, aber auch Immobilien und Wertsachen, abzüglich privater Kredite. Nicht aber Renten- und Pensionsansprüche. Viele dürften sich da wohl die Augen reiben, weil sie deutlich weniger ihr Eigen nennen.
Und tatsächlich liegen zwischen den privaten Vermögen in Deutschland auch Welten. Azubis und Praktikanten zum Beispiel kommen im Schnitt gerade mal auf 8000 Euro, Beamte im einfachen und mittleren Dienst dagegen schon auf 80 000 und höhere Angestellte gar auf 210 000 Euro. Während die zehn Prozent der Erwachsenen mit den geringsten Einkommen 2012 im Schnitt nur jeweils knapp 20 000 Euro besaßen, verzeichnete das einkommensstärkste Zehntel ein Polster von durchschnittlich 285 000 Euro pro Kopf.
"Insgesamt hat sich an der Vermögensverteilung im Land wenig geändert, die Ungleichheit verharrt auf hohem Niveau", stellt der DIW-Forscher Markus Grabka fest. Nur bei den Arbeitslosen gebe es deutliche Veränderungen - und zwar zum Schlechten. Nach der Analyse verfügten sie im Jahr 2002 noch über ein durchschnittliches Vermögen von etwa 30 000 Euro. Zehn Jahre später waren es nur noch 18 000 Euro. Grabka führt diese Entwicklung vor allem auf die zwischenzeitlich eingeführten Hartz-Gesetze zurück, die auch eine weitgehende Aufzehrung des privaten Vermögens zur Bedingung für den Bezug von Arbeitslosengeld II gemacht hatten.
Die Folgen sind drastisch: Rund zwei Drittel der Personen ohne Job hatten 2012 unter dem Strich gar kein Vermögen oder sogar Schulden. Insgesamt hat gut jeder fünfte erwachsene Bundesbürger praktisch nichts auf der hohen Kante. Bei weiteren sieben Prozent übersteigen die Schulden das Vermögen. Dagegen verfügt das reichste Prozent der Bundesbürger über ein privates Vermögen von jeweils mindestens 800 000 Euro.
Als statistisches Maß für die Ungleichheit der Vermögensverteilung gilt der sogenannte Gini-Koeffizient. Sein Wert reicht von Null (Verteilungsgleichheit) bis Eins (maximale Ungleichheit). "Mit 0,78 befand sich der deutsche Wert 2012 auch im europäischen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau", erklärt Grabka. Frankreich liegt bei 0,68, Italien bei 0,61 und die Slowakei bei 0,45. Im weltweiten Vergleich der entwickelten Staaten wird Deutschland bei der Vermögensungleichheit nur von den USA (0,87) klar übertroffen.
Reichtum ist relativ


Übrigens: Auch nach fast 25 Jahren deutscher Einheit sind die Unterschiede in Sachen Vermögen zwischen Ost und West immer noch deutlich. So liegt das durchschnittliche Nettovermögen der Westdeutschen mit 94 000 Euro mehr als doppelt so hoch wie das der Ostdeutschen, die nur auf 41 000 kommen. Reichtum ist deshalb auch ein relativer Begriff: Wer in Ostdeutschland Werte im Umfang von 110 000 Euro besitzt, gehört schon zu den reichsten zehn Prozent. In den alten Bundesländern müsste man dafür 240 000 Euro haben.
Der Unterschied zeige sich allerdings erst mit fortschreitendem Alter, sagt Grabka. Während der Ausbildung und bei Berufsbeginn seien alle relativ vermögensarm. Doch ab Mitte 30 gehe die Schere auseinander. Ein Grund sind die unterschiedlich großen Erbschaften in Ost und West. Und dieser Unterschied, so Grabka, werde auch noch für die nachfolgende Generation fortbestehen.

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