"Das war Wilder Westen"

Die weltweite Krise der Finanzmärkte führt zu Banken-Zusammenbrüchen und unvorstellbaren Geld-Transfers. Damit es nicht zu Zuständen wie in den Welt-Wirtschaftskrisen des vergangenen Jahrhunderts kommt, werden Stimmen nach mehr Kontrolle der Märkte wieder lauter.

Berlin. (vet) Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, fordert einen internationalen Regulierungsrahmen gegen die weltweite Finanzmarktkrise. Mit Horn sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Horn, hat die Marktwirtschaft versagt?

Gustav Horn: Die Marktwirtschaft nicht, aber das marktwirtschaftliche Finanzsystem. Die Rahmenbedingungen sind nicht so gestaltet, dass dieser Markt wirklich funktionieren konnte. Das war Wilder Westen. Und im Wilden Westen geht es bekanntlich auch drunter und drüber.

Auffällig ist, dass gerade Leute, die mit dem Staat nichts am Hut haben, nun nach ihm rufen, um angeschlagene Geldinstitute zu retten. Wundert Sie das?

Horn: Das wundert mich nicht. Es müssen Bedingungen vorhanden sein, die Erwartungen stabilisieren und Auswüchse verhindern. Das war nicht der Fall. Aber wenn nun das ganze Kartenhaus zusammenfällt, wer außer dem Staat soll dann noch das Finanzsystem retten? Zumal die Auswirkungen auf andere Bereiche gravierend sind. Da geht es um Wachstum, aber auch um den Arbeitsmarkt.

Die USA planen jetzt ein umfassendes Rettungspaket für krisengeschüttelte Banken. Ein richtiger Weg?

Horn: Der Plan bedeutet nicht, dass jede Bank, die jetzt in Schwierigkeiten steckt, vor dem Zusammenbruch gerettet wird. Aber mit dem Signal aus den USA ist klar, dass der Staat das Finanzsystem nicht untergehen lassen wird. Und das ist auch richtig so. Denn ohne den Eingriff wäre jeder Investor betroffen, auch wenn er eigentlich gar nichts mit der Finanzkrise zu tun hat.

In den USA brechen private Banken ein, in Deutschland stecken staatliche Landesbanken und die KFW in Turbulenzen. Spricht das nicht für eine staatlichen Rückzug aus dem Bankgeschäft?

Horn: Nein. Der Punkt ist doch, dass sich deutsche Banken, die teilweise im staatlichen Besitz sind, wie Privatbanken verhalten wollten, ohne über die nötigen Kenntnisse zu verfügen. Und das ging schief.

Reichen die Konsequenzen in der KFW aus, um millionenschwere Schlampereien künftig zu vermeiden?

Horn: Die KFW muss ihr Management in den Griff bekommen. Das ist noch wichtiger als personelle Opfer. Denn wenn routinemäßig Überweisungen an eine Pleite-Bank erfolgen können, dann sind die KFW-internen Abläufe völlig aus dem Ruder geraten.

Brauchen wir weltweite Kontrollmechanismen, um der Finanzmarktkrise Herr zu werden?

Horn: Zweifellos brauchen wir einen internationalen Regulierungsrahmen, der dem Finanzmarkt wieder eine Perspektive gibt. Die Finanzminister der größten Industrieländer sollten sich deshalb schleunigst auf entsprechende Eckpunkte einigen. Notwendig ist beispielsweise ein Verbot für den Weiterverkauf kompletter Kredite. Außerdem müssen die Bilanzierungsrichtlinien geändert werden, sodass Banken in Krisenzeiten nicht gezwungen sind, sofort neues Eigenkapital aufzunehmen. Denn das verschärft die Krise zusätzlich.

In Großbritannien wurden jetzt sogenannte Leerverkäufe verboten. Wäre das auch weltweit machbar?

Horn: Bestimmte Transaktionen haben sich als ein Mittel der gezielten Destabilisierung erwiesen. Dazu gehören auch Leerverkäufe. Das sind Wetten, bei denen mit großen Summen auf den Niedergang eines Unternehmens spekuliert wird, die auch noch kreditfinanziert sind. Wäre das an den großen Finanzplätzen dieser Welt verboten, dann wäre auch jedem das Risiko bewusst, der sich anderswo noch darauf einlässt.

Wer zahlt eigentlich die Zeche der ganzen Turbulenzen?

Horn: Zunächst einmal bluten die Banken. Ihr Eigenkapital wird völlig vernichtet. Aber natürlich leidet darunter auch der Steuerzahler, der über die staatlichen Stabilisierungspakete zur Kasse gebeten wird.

Müssen Riester-Sparer Einbußen fürchten? Auch ihr Geld wird zum Teil in Aktien angelegt.

Horn: Riester-Verträge mit einer Aktien-Komponente haben eine Kapitalsicherung. Das heißt, sie erwirtschaften dann zwar keine Gewinne, aber der Verlust des Vermögens ist ausgeschlossen.

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