"Den meisten passt der Geiz nicht"

BERLIN. Ist Geiz wieder out? Die neue Kauflust, die Marktforscher bei den Deutschen festgestellt haben, geht nach Ansicht des Sprechers des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr (HDE), an seiner Branche vorbei. "Von einer Trendwende kann kein Rede sein", so Pellengahr gegenüber unserer Zeitung.

Herr Pellengahr, laut der Marktforschungsgruppe GfK ist beim privaten Konsum ein deutlicher Aufwärtstrend zu erkennen. Knallen jetzt beim Einzelhandel endlich wieder die Sektkorken?Pellengahr: Also noch spürt der Einzelhandel davon nichts. Wir durchleben in den letzten Monaten ein Wechselbad der Gefühle. Vor Weihnachten war es gut, dann ließen die Umsätze nach und jetzt hoffen wir durch den Winterschlussverkauf wieder auf eine deutliche Belebung des Geschäfts. Aber von einer Trendwende kann noch gar keine Rede sein. Woher kommt der Widerspruch zwischen Ihrer Einschätzung und der der Marktforscher? Pellengahr: Nach wie vor stimmen die Rahmenbedingungen für einen florierenden Einzelhandel nicht - die Menschen machen sich Sorgen um ihre Jobs. Steuern und Abgaben sind trotz Steuerreform zu hoch. Man muss außerdem wissen, im privaten Bereich konkurriert der Einzelhandel mit den Freizeitausgaben der Menschen oder deren Aufwendungen für Reisen. Nur ein Drittel des privaten Verbrauchs entfällt auf den Einzelhandel. Schneidet sich die Branche aber nicht auch ins eigene Fleisch, wenn ständig nur von Rabattschlachten geredet wird? Man hat den Eindruck, der Einzelhandel orientiert sich nur noch an Schnäppchenjägern. Pellengahr: Neben der Sparsamkeit gibt es durchaus einen Trend zu großen Ausgaben. Nicht nur billig läuft also, sondern auch das gehobene Preissegment bis in den Luxusbereich findet seine Kunden. Unser Problem ist jedoch das mittlere Preissegment, das sich schwer verkauft. Soll das etwa heißen, dass "Geiz ist geil" langsam aber sicher wieder out ist? Pellengahr: Das Motto "Geiz ist geil" hat den Zeitgeist auf den Punkt gebracht. Man kann aber nicht befehlen, dass diese Welle jetzt beendet sein soll. Jeder muss die Werbung betreiben, die für sein Unternehmen gut ist. Den meisten unserer Mitglieder passte der Geiz ohnehin nicht. Nur: Uns fehlt eben eine werbliche Antwort auf dieses Phänomen, die herausstellt, dass Einkaufen Spaß machen muss, dass man eben nicht immer mit beiden Händen den Geldbeutel verschlossen halten sollte vor lauter Angst, ein Schnäppchen zu verpassen. Fordern Sie also auch einen Mentalitätswechsel beim Kunden? Pellengahr: Ja. Es gibt sowieso viele Kunden, die von der Geiz-Welle inzwischen regelrecht abgestoßen sind. Außerdem ist es kein Widerspruch, vormittags beim Discounter einzukaufen und nachmittags in einem Feinkostladen oder einer Edelboutique. Nur mit Discount macht das Leben halt keinen Spaß. Wir werden sich in diesem Jahr die Umsätze und die Beschäftigtenzahl in Ihrer Branche entwickeln? Pellengahr: Wir müssen schon froh sein, wenn wir das Vorjahresniveau beim Umsatz von 370 Milliarden Euro halten können. Gelingt uns dies, wäre der Rückgang der vergangenen drei Jahre gestoppt. Gleichzeitig wird sich der Arbeitsplatzabbau deutlich verlangsamen. Nach 20 000 verlorenen Jobs in 2004 rechnen wir in 2005 mit maximal 10 000 Stellen weniger. Mit Hubertus Pellengahr sprach unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß.

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