Der Mindestlohn steigt - Streit um Höhe der Anpassung

Berlin · Mit einiger Spannung dürften die rund vier Millionen Mindestlohnempfänger in Deutschland auf den kommenden Dienstag blicken. Dann will die unabhängige Mindestlohn-Kommission über eine Anhebung ihrer Bezüge entscheiden. Hinter den Kulissen wird um jeden Cent mehr gestritten.

Berlin. Mindestens 8,50 Euro müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten seit Anfang 2015 pro Stunde zahlen. Doch wie geht es weiter? Laut Geschäftsordnung der Mindestlohn-Kommission ganz einfach: Maßgeblich für die erstmalige Anpassung zum 1. Januar 2017 ist die Entwicklung der tariflichen Stundenlöhne ohne Sonderzahlungen in der Zeit von Dezember 2014 bis Juni 2016. Daraus hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden einen so genannten Tarifindex errechnet. Demnach sind die Tarifeinkommen seit Anfang 2015 um 3,2 Prozent gestiegen.
Folglich müsste der Mindestlohn ab 2017 ebenfalls um 3,2 Prozent oder 27 Cent auf 8,77 Euro angehoben werden.
Der Tarifindex spiegelt allerdings nur jene Tarifabschlüsse beziehungsweise schon vorher festgelegten Stufenerhöhungen wider, die von Januar 2015 bis Juni 2016 zur Auszahlung gekommen sind. Und spätestens hier beginnt der Streit zwischen den jeweils drei Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in der Kommission.
Die Gewerkschaftsseite fordert, dass auch die bereits im Frühjahr erfolgten Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst von Bund, Kommunen sowie in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifindex einfließen müssen. Unter dem Strich könnte der Mindestlohn dadurch nicht nur um 3,2, sondern um 4,4 Prozent steigen. Macht ein Plus von 37 Cent.
Der Haken ist allerdings, dass die beiden Tarifabschlüsse für die betroffenen Beschäftigten erst nach dem 30. Juni zahlungswirksam werden. Bei den öffentlich Bediensteten sind technische Verzögerungen in den Lohnbuchhaltungen die Ursache. Für die Metaller gilt die erste Stufe ihrer Lohnerhöhung vereinbarungsgemäß ohnehin erst ab Juli. Deshalb wurden sie vom Statistischen Bundesamt im Tarifindex nicht berücksichtigt. Und dabei soll es nach Lesart der Arbeitgeberseite auch bleiben.
Gesetz ist maßgeblich


Die Gewerkschaften verweisen darauf, dass nicht nur die Geschäftsordnung maßgeblich für die Anpassung ist, sondern auch das Mindestlohngesetz selbst. Darin heißt es: "Die Mindestlohnkommission prüft im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden". Vor diesem Hintergrund, so die Lesart der Arbeitnehmerseite, wäre auch ein deutlich höherer Mindestlohn gerechtfertigt. Zumal es, so die Argumentation, keine Anzeichen für wirtschaftliche Verwerfungen wegen der Lohnuntergrenze gebe.
Falls die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter nicht zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen, müsste der Kommissions-Vorsitzende Jan Zilius einen Vorschlag machen. Der Sozialdemokrat, Jahrgang 1946, ist in beiden Lagern angesehen. Zilius war lange Zeit bei der IG Bergbau und Energie und später im Vorstand des Energiekonzerns RWE. vet

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