Wirtschaft Insolvenzen so niedrig wie nie
Trier/Luxemburg · Der Staat greift den Unternehmen in der Corona-Krise unter die Arme – auch den bereits finanziell angeschlagenen. Auf die Insolvenzzahlen hat dies auch Auswirkungen. Die Folgen der Krise zeigen sich erst in einigen Monaten.
Auf den ersten Blick scheint es den Unternehmen der Region Trier besonders gut zu gehen. Denn schaut man sich die Insolvenzzahlen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform für das erste Halbjahr dieses Jahres an, so ist die Zahl der Pleiten von Januar bis Ende Juni um rekordverdächtige 24 Prozent zurückgegangen – von 66 Verfahren im Vorjahreszeitraum auf nun 50 Insolvenzen. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen für die einzelnen Branchen nieder. So liegt der Rückgang im Handel bei 75 Prozent, am Bau bei minus 50 Prozent, in der Dienstleistungsbranche bei minus 12,5 Prozent.
Schaut man stärker in die Region hinein, so ist der Rückgang am deutlichsten im Eifelkreis Bitburg-Prüm – von 22 auf nun sieben (minus 68 Prozent). Im Vulkaneifelkreis liegt das Minus bei 40 Prozent, in der Stadt Trier bei minus 21 Prozent. Lediglich in den Kreisen Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich haben die Pleiten zugenommen – um 33 und 12,5 Prozent.
Positive Auswirkungen haben diese Rückgänge auch auf ausfallende Umsätze und entlassene Mitarbeiter. So ist das betroffene Umsatzvolumen um gut 68 Prozent auf 15,9 Millionen Euro gesunken, mit 242 betroffenen Beschäftigten gab es einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von knapp 62 Prozent.
Doch wie kommt es, dass trotz Corona-Pandemie, dem Lockdown der Wirtschaft, dem Stillstand in den Produktionen und in Handel und Gastronomie die Pleiten nicht zugenommen haben? Üblich, so sagt Herbert Eberhard, Chef der Creditreform Trier, seien wesentlich geringere Rückgänge innerhalb eines halben Jahres. Auf Bundesebene ist dieser Wert mit minus acht Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen und minus sechs Prozent bei den Verbraucherinsolvenzen annähernd erreicht. Doch warum fällt der Rückgang angesichts der Pandemie dennoch so stark aus, vor allem in der Region Trier? „Ursächlich dürften einerseits die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und andererseits die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis September sein“, sagt Eberhard.
Heißt: Weil durch Corona bedingt überschuldete Unternehmen in dieser Übergangsphase bis September die Option zur Sanierung bekommen statt Insolvenz anmelden zu müssen und gleichzeitig Finanzspritzen beim Bund beantragen können, sind weniger Unternehmen insgesamt pleite gegangen.
Schon mit Verabschiedung des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“ hat Justizministerin Christine Lambrecht gesagt: „Die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflichten ist ein wichtiger Baustein, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern.“
Im Umkehrschluss lässt sich daraus aber auch folgern: Die Insolvenzzahlen verschleiern die tatsächliche Lage vieler Unternehmen, ermittelte die Creditreform Wirtschaftsforschung. „Das dicke Ende kommt noch“, ist auch Herbert Eberhard von Creditreform Trier und Luxemburg überzeugt. „Bislang sind zahlreiche Unternehmen nur vorläufig gerettet.“ Die Wirtschaftsauskunftei rechnet sogar mit einer Insolvenzwelle im Herbst, vor allem bei Firmen mit niedrigen Margen oder wenig Kapital. Das gilt laut Eberhard gerade für so genannte „Zombiefirmen“, die Verluste bislang drei Jahre in Folge geschrieben haben.
Kaum einen Effekt der Corona-Krise gibt es bislang auch auf die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Sie verringerte sich in den ersten sechs Monaten bundesweit um 6,4 Prozent, in der Region ist es ein Minus von fünf Prozent. Die schwieriger werdende Situation auf dem Arbeitsmarkt werde sich aber mit Verzögerung auch bei den Verbraucherinsolvenzen bemerkbar machen, ist Jurist Herbert Eberhard sicher.
In Luxemburg gibt es ähnliche Tendenzen wie in der Region Trier. Dort ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um gut neun Prozent auf jetzt 571 Konkurse zurückgegangen, vor allem auf dem Bau und im Handel, wo der Strukturwandel im Großherzogtum derzeit besonders groß ist. Das ist auch deshalb eher verwunderlich, weil die Steigerungsraten bei den Pleiten zuletzt insgesamt zwischen plus 33 und plus knapp drei Prozent lagen. „In Luxemburg gibt es ohnehin keine Insolvenzantragspflicht wie in Deutschland“, sagt Eberhard, Chef auch des Luxemburger Creditreform-Ablegers. „Deshalb ist der Rückgang der Konkurse nicht realistisch, da die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erst verzögert eintreten werden“. Im Großherzogtum habe der Staat die Firmen zudem schnell, unbürokratisch und umfangreich während der Corona-Krise unterstützt, was vielen Betrieben geholfen habe.
So zahlt Luxemburg für Kleinunternehmen 5000 Euro, für Betriebe mit zehn bis 20 Mitarbeiter 12 500 Euro, für Selbstständige gestaffelt bis zu 4000 Euro. Diese Hilfen müssen nicht zurückgezahlt werden und haben den Luxemburger Staat bislang 90,4 Millionen Euro gekostet. Bei den rückzahlbaren Vorschüssen von bis zu 500 000 Euro wurden bislang knapp 60 Millionen Euro ausgezahlt.
Eberhard: „Gleichzeitig sind viele Unternehmen wie die Banken, die Finanzdienstleister und die Softwaredienstleister gar nicht so stark von der Krise betroffen, weil viele Beschäftigte der selben Arbeit auch im selben Umfang im Homeoffice nachgehen können.“