Der Vorsprung schmilzt

BERLIN. Den Titel Exportweltmeister wird Deutschland auch im nächsten Jahr nach den Prognosen des Bundesverbandes des Groß- und Außenhandels (BGA) wieder erobern können. Doch 2008, spätestens 2009 geht diese Vorherrschaft zu Ende. Dann werde China mit seinen Ausfuhren Deutschland überholen, sagte BGA-Präsident Anton Börner gestern in Berlin.

Im laufenden Jahr wird Deutschland Waren im Wert von 872 Milliarden Euro exportieren, vor allem in die EU, die USA und Japan. Der Export ist damit erneut die entscheidende Konjunkturlokomotive, er trägt zwei Drittel des Wachstums von zwei Prozent. Im nächsten Jahr werden die Ausfuhren nach der Prognose auf 925 Milliarden Euro steigen. Wegen zunehmender Importe vor allem aus Asien und wegen der höheren Preise für Öl sinkt aber der Außenhandelsüberschuss. Schon in diesem Jahr kann erstmals seit langem mit einem Plus von 147 Milliarden Euro kein neuer Rekord mehr vermeldet werden; im nächsten Jahr sinkt der Überschuss sogar auf 134 Milliarden, so viel wie 2002. Deutschlands Vorsprung schmilzt. Der Titel Exportweltmeister bezieht sich ohnehin nur auf Waren "Made in Germany", nicht auf Dienstleistungen. Bei denen liegt Deutschland nach den USA und Großbritannien an dritter Stelle. Sie auszubauen, Wissen und High Tech zu exportieren, ist nach Ansicht Börners die entscheidende langfristige Strategie, um Deutschlands Wohlstand zu erhalten. Das Land müsse massiv in die Bildung, von der Vorschule bis zu den Universitäten, investieren, um künftig mithalten zu können. Scharfe Kritik äußerte Börner in diesem Zusammenhang an der Großen Koalition, die "große Kompromisse statt großer Taten" vollbringe. Während die Unternehmen in den vergangenen Jahren teilweise schmerzliche Sanierungsprozesse vollzogen hätten, stehe dies für die Politik noch aus. Die Probleme bei den Sozialversicherungen und am Arbeitsmarkt seien groß, das Binnenwachstum zu schwach. Starke Absatzmärkte sind weiterhin Asien und Russland, wo jetzt zudem massive Investitionen in Infrastruktur und im Energiesektor anstehen, die den deutschen Konzernen weitere Exportchancen eröffnen. Daneben sieht der BGA aber auch im Nahen Osten einen Zukunftsmarkt. Gegenwärtig belastet die politisch instabile Situation die Außenhandelsbilanz eher - in Form steigender Ölpreise und höherer Aufwendungen für die Sicherheit. Mittelfristig aber könne sich der Nahe Osten mit seinen 300 Millionen Menschen zu einem zweiten Asien entwickeln. Zumal die Länder ihre Öl-Gewinne jetzt für Logistik-, Tourismus- und High-Tech-Investitionen ausgeben. Börner plädierte für "Wandel durch Handel". Auch deutsche Unternehmen könnten dazu beitragen, Wirtschaft und Gesellschaft der Länder im vorderen Orient zu entwickeln. Entschieden wandte sich Börner gegen Wirtschaftssanktion im Zusammenhang mit dem Konflikt um die Atomanreicherung im Iran. Jahrelanges Engagement deutscher Firmen werde dadurch zunichte gemacht; China und Indien würden in diesen wichtigen Markt hineingehen. Was die Weltgemeinschaft denn sonst tun könne, um Iran zur Einhaltung der UN-Vorgaben zu bringen, wollte Börner nicht sagen. Dies sei Sache der Politik. Aber eine Stabilisierung der Region sei auch mit einem atomar bewaffneten Iran prinzipiell möglich, so der BGA-Präsident.

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