Die Angst vor der Zwei-Euro-Marke

Berlin · An den Zapfsäulen erleben die Autofahrer derzeit wieder ein teures Wunder: Der Spritpreis steigt und steigt, im Durchschnitt sind es inzwischen mehr als 1,50 Euro, die für den Liter gezahlt werden müssen. Ein Ende der Preisspirale nach oben ist nicht in Sicht, in Berlin geht man sogar davon aus, dass bald die Zwei-Euro-Marke an den Tankstellen geknackt werden wird.

Die Grünen sehen das Ende des Preisanstiegs noch nicht erreicht, der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) macht vor allem Turbulenzen auf dem Ölmarkt dafür verantwortlich. Sprit ist so teuer wie nie zuvor in Deutschland, weil die Mineralölkonzerne in den vergangenen Tagen insbesondere die Preise für Super und Diesel kräftig angehoben haben.

Hintergrund sind demnach die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Ölland Libyen. Die Konzerne würden die steigenden Ölnotierungen umgehend an die Kunden weitergeben, heißt es beim ADAC. Libyen ist einer der größten Erdölproduzenten der Welt, für Deutschland ist das Land der fünftwichtigste Lieferant von Rohöl. "Der Ölmarkt bestimmt die Richtung beim Sprit", so ein Experte des Automobilclubs.

Und diese Richtung führt nach oben. Nach Ansicht der Grünen müssen sich die Autofahrer in absehbarer Zeit auf einiges gefasst machen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn sagte unserer Zeitung: "Auf Dauer ist nicht mehr mit sinkenden Preisen zu rechnen. Es ist deshalb nicht mehr die Frage ob, sondern wann der Autofahrer deutlich mehr als zwei Euro pro Liter Sprit zahlen muss."

Sollte die Zwei-Euro-Marke tatsächlich überschritten werden, rechnet man in Berlin bereits mit dem Unmut der Autofahrer - die Marke gilt als psychologisch wichtig. Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) fürchtet die "Preisauftriebstendenzen", die es gebe. Wenn sich die Lage in Libyen beruhigt habe, "wird es auch eine gewisse Preisberuhigung an den Märkten geben", hofft der Minister.

Laut Höhn sind für den satten Anstieg aber nicht nur die Unruhen in Nordafrika und im Ölreich Libyen verantwortlich. Der aktuelle hohe Ölpreis sei auch auf Finanzspekulationen und die zunehmende Verknappung des Erdöls zurückzuführen. Dadurch seien die Kosten in den letzten beiden Jahren von 40 auf knapp 100 Dollar pro Barrel gestiegen. "Wir stehen am Anfang einer immer stärker wachsenden Versorgungslücke beim Erdöl. Entweder wir fangen jetzt schleunigst mit der Entziehungskur an, oder wir werden zeitnah dazu gezwungen, weil die Preise explodieren", so Höhn.

Auch beim ADAC weiß man um andere Faktoren, die den Preissprung an vielen deutschen Tankstellen so drastisch haben ausfallen lassen - neben den üblichen Erhöhungsrunden vor Wochenenden. Derzeit sorge auch die Einführung des neuen Biosprits E10 bei Millionen Autofahrern für verteuerten Sprit. "Es kommt einiges zusammen", so der Automobilclub.

Laut Höhn müssen die Alternativen zum Öl nicht erfunden werden. "Es gibt sie schon: Intelligente Konzepte zur Verkehrsvermeidung, effizientere Fahrzeuge, Elektromobilität und nachhaltig erzeugte Bioenergien", so die Grüne.

Welt-tanklager Die Länder des Nahen und Mittleren Ostens sind das Tanklager der Welt. Nimmt man noch Nordafrika dazu, lagern dort nach Daten des Ölmultis BP mehr als 60 Prozent der weltweiten Ölreserven. Allein Saudi-Arabien verfügt über rund 20 Prozent der Ölvorräte; allerdings sind die Daten nicht von unabhängiger Seite überprüft und werden von Experten gelegentlich angezweifelt. Sollten die Unruhen auf Saudi-Arabien übergreifen, ist nach Einschätzung von Fachleuten mit extrem steigenden Preisen zu rechnen. Das Land ist mit einem Anteil von zwölf Prozent auch der zweitgrößte Ölförderer nach Russland. Weitere Beiträge zur weltweiten Ölversorgung liefern der Iran (5,3 Prozent) sowie Irak, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate mit je 3,2 Prozent. Aus Nordafrika kommen jeweils zwei Prozent aus Libyen und Algerien. (dpa)

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