Die Chance auf ein normales Berufsleben

Trier · Frank und Alex gehören zu den acht Azubis, die derzeit bei der Baumschule Bösen eine Ausbildung machen. Die zwei jungen Männer hätten allerdings ohne Hilfe kaum eine Chance, ihre Lehre abzuschließen. Sie sind lernbehindert.

 Frank und Alex halten einen Pflanztopf. Die Jungs wollen nicht als Lernbehinderte erkannt werden. Vom Projekt überzeugt sind (von links): Nicole Bösen, Katarzyna Bach, Silvia Spang und Ralph Kniffka. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Frank und Alex halten einen Pflanztopf. Die Jungs wollen nicht als Lernbehinderte erkannt werden. Vom Projekt überzeugt sind (von links): Nicole Bösen, Katarzyna Bach, Silvia Spang und Ralph Kniffka. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Trier. Bei der Baumschule Bösen in Trier herrscht derzeit Hochbetrieb. Das Weihnachtsgeschäft läuft an, im Mittelpunkt dabei der Weihnachtsbaum-Verkauf. Das Unternehmen beschäftigt fast 50 fest angestellte Mitarbeiter und teilweise 60 bis 100 Aushilfen. Der Beruf ist trendy, acht junge Leute machen derzeit ihre Ausbildung bei Bösen, auch einige Abiturienten. Zu den Azubis gehören auch Alex und Frank (Name geändert), die beide lernbehindert sind. Die Chancen, dass die beiden Jungs ihre Ausbildung schaffen, sind gar nicht schlecht, denn sie gehören zu den ersten 20 Teilnehmern des landesweit einzigartigen Projekts "Inklusive Ausbildung" (siehe Extra). Der 19-jährige Frank ist im dritten Lehrjahr zum Werker im Gartenbau. Die Ausbildung ist "etwas abgespeckt, die Praxis steht im Vordergrund, die Theorie ist reduziert", erklärt Katarzyna Bach vom Bürgerservice. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Ralph Kniffka betreut sie die 20 Teilnehmer. "Für viele sind die Ansprüche in der Berufsschule eine große Hürde, vor allem Mathe", sagt Kniffka. Doch mit einer sehr persönlichen Betreuung und Nachhilfe werden die Jugendlichen unterstützt. Auch in der Firma gibt es reichlich Hilfestellungen, sagt Nicole Bösen, im Familienbetrieb zuständig fürs Personal: "Die Azubis helfen sich gegenseitig. Die einen sind in der Theorie stärker, andere in der Praxis. Da gibt es viel Austausch."
Positiv ist für Monika Berger vom Bürgerservice, dass die Jugendlichen mit großer Motivation bei der Sache sind. "Sie nehmen die Hilfen an. Oft ist die Betreuung in ihrer freien Zeit, also vor oder nach ihrer eigentlichen Arbeit."
Die beiden Jungs sind von dem Projekt angetan. "Eigentlich war Bauer mein Lieblingsberuf. Doch nachdem ich hier bin, finde ich das auch ganz toll. Ich liebe es, im Freien zu arbeiten." Alex, 18, ist im ersten Lehrjahr. Nach einer langen Krankheit hat er Konzentrationsschwächen.
Chefin macht beiden Mut


Auch seinem Freund Frank fällt das Lernen schwer. Mit 19 Jahren ist er im dritten Lehrjahr und blickt so langsam auf seine Prüfung. Als Werker im Gartenbau sind vor allem seine praktischen Fähigkeiten gefragt, und er ist optimistisch: "Ich geb\' Gas."
Nicole Bösen macht den beiden Mut. "Jeder hat bei uns die Chance, übernommen zu werden. Etwa 80 Prozent unserer Mitarbeiter haben wir selbst ausgebildet."
Für die Arbeitsagentur Trier ist das Projekt, "ein wichtiger Weg, um dem Fachkräftemangel in der Region zu begegnen", sagt Agentur-Chef Heribert Wilhelmi. Silvia Spang von der Arbeitsagentur hat mit Monika Berger das Projekt initiiert und ist von der Idee überzeugt. "Jeder Jugendliche, der später eine Stelle findet, ist für uns ein Erfolg", findet auch Agentur-Chef Wilhelmi.Extra

In dem Projekt "Inklusive Ausbildung" werden 20 lernbehinderte Jugendliche, die eine reguläre betriebliche Ausbildung absolvieren, betreut. Die Berufsbilder: drei Bäckereifachverkäuferinnen, zwei Fleischereifachverkäuferinnen und jeweils eine Bäckerin, Friseurin, zwei Maurer, ein Karosseriebauer, ein Tischler, ein Fliesenleger, ein Fachpraktiker Metall, ein Kaufmann im Einzelhandel und ein Kaufmann für Bürokommunikation, eine Köchin, ein Fachpraktiker Küche, eine Hauswirtschafterin, ein Gärtner sowie ein Fachpraktiker Gartenbau. Das Projekt hat eine Laufzeit von 40 Monaten. Das entspricht der gesamten dreijährigen Ausbildungsdauer plus einer vorgezogenen viermonatigen Orientierungsphase, in der Jugendliche und Betriebe bereits beraten und Ausbildungsstellen vermittelt wurden. Finanziert wird die Maßnahme vom Land Rheinland-Pfalz und der Agentur für Arbeit Trier. Die Gesamtkosten belaufen sich auf über eine halbe Million Euro. Die Arbeitsagentur beteiligt sich mit knapp 333 000 Euro, das Land steuert 190 000 Euro bei. hw

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