Die Fliege, die die Winzer fürchten

Bernkastel-Kues/Trier · Die Winzer in Deutschland, die sich derzeit mitten in der Weinlese befinden, kennen derzeit nur ein Gesprächsthema. Welche Schäden richtet die Kirschessigfliege noch an? Das Insekt hat in den großen Anbaugebieten Rheinhessen und Pfalz bereits etliche Weinberge befallen, an der Mosel halten sich die Ertragsausfälle noch in Grenzen.

Bernkastel-Kues/Trier. Herbert Kuhnen aus Bekond hat vor zehn Jahren einen Weinberg mit der neuen Rotweinsorte Bolero gepflanzt. Der Wein ist ein Renner in seinem Weingut. Doch in diesem Jahr erntet er in diesem Weinberg nichts. Er hat die reifen Trauben hängen gelassen. Auch seine Regent-Trauben, ebenfalls eine rote Sorte, kann er in diesem Jahr nicht verwerten. Die Kirschessigfliege, ein Schädling, der erst vor drei Jahren erstmals in deutschen Weinbergen aufgetaucht ist, hat ganze Arbeit geleistet. Im Sommer befällt die Fliege rote Früchte wie Kirschen, Brombeeren und Holunder, jetzt sind die roten Trauben dran. Die Fliege bohrt die süßen Beeren an, legt im Fruchtfleisch ihre Eier ab, und die schlüpfenden Larven zersetzen die Beere von innen. Solche verletzten Trauben werden schnell von Pilzen und Bakterien befallen, es kommt zu dem gefürchteten Essigstich. Vor allem dann, wenn es wie am Wochenende sehr nass und warm ist.
Winzer Kuhnen hat zwar, wie fast alle Moselwinzer, hauptsächlich weiße Traubensorten wie Müller-Thurgau und Riesling, doch der Schaden ist groß genug. "Rund 2000 Liter Most kann ich abschreiben", sagt Kuhnen. Andere Winzer berichten ebenfalls von faulenden Rotweintrauben - auch beim Dornfelder, hervorgerufen durch die Kirschessigfliege. Allerdings ist der Rotweinanteil an Mosel, Saar und Ruwer mit etwa zehn Prozent relativ klein. Hinzu kommt, dass die wichtigste rote Sorte an der Mosel, der Spätburgunder, bislang verschont blieb. Die Schalen der Spätburgunderbeeren sind härter und deshalb unempfindlicher. Die Winzer sind dennoch in großer Sorge. Sie behalten die Weinberge genau im Auge, um beim geringsten Befall die Trauben sofort zu ernten. Weil die Traubenbeeren in diesem Jahr wegen der starken Regenfälle im August sehr dick sind, können sie schnell aufplatzen. Auch ohne dass die Kirchessigfliege einsticht, kann es schnell zu Fäulnis kommen.
Winzer Kuhnen hat festgestellt, dass die Kirschessigfliege bevorzugt Weinberge befällt, in deren unmittelbarer Nachbarschaft Kirschbäume und Brombeerhecken wachsen. Die Fliege springt offensichtlich von der einen roten Frucht zur nächsten, die reif wird.
In den beiden großen Weinanbaugebieten Rheinhessen und Pfalz hat die Kirschessigfliege schon weitaus größere Schäden angerichtet. Dort war das aus dem Süden eingewanderte Insekt bereits im vergangenen Jahr aufgetaucht. Weil die Trauben dort etwas früher reifen, hat das Insekt auch früher zugeschlagen.
Dr. Georg Binder, Leiter der Abteilung Kellerwirtschaft am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt an der Weinstraße, berichtet von teilweise dramatischen Schäden. Etliche Winzer hätten reife rote Trauben nicht mehr geerntet, weil diese innerhalb weniger Tage gefault seien. Andere Winzer hätten die geernteten Trauben, nachdem diese wegen des Essiggeruchs von aufkaufenden Weingütern oder Kellereien abgelehnt wurden, wieder im Weinberg entsorgt.
Wie groß der Anteil der vernichteten Ernte bisher ist, ist noch nicht abschätzbar. "Auch an der Mosel nicht", sagt Eric Lentes vom DLR Mosel in Bernkastel-Kues. Die Mosel habe zum Glück rund 90 Prozent weiße Rebsorten. Bislang seien in diesen Weinbergen noch keine Schäden festgestellt worden. Lentes rechnet damit, dass die Ernte des von der Kirschessigfliege bedrohten roten Dornfelders Mitte dieser Wochen beendet ist.Extra

Rebsorten an der Mosel (Stand Oktober 2012): Die Rebfläche an Mosel, Saar und Ruwer beträgt rund 8700 Hektar. Weiße Rebsorten machen 90,6 Prozent, rote Sorten 9,4 Prozent aus. Weiße Sorten: Riesling: 60,4 Prozent; Müller-Thurgau: 13,0 Prozent; Elbling: 6,1 Prozent; weißer und grauer Burgunder: 4,5 Prozent. Rote Sorten: Spätburgunder: 4,2 Prozent; Dornfelder: 3,7 Prozent; Regent: 0,7 Prozent. sim

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