Die gelbe Mülltrennung wackelt

Berlin . Fast fünfzehn Jahre sortieren die Deutschen schon fein säuberlich ihren Müll. Doch damit könnte bald Schluss sein.

Die Liberalen wittern Morgenluft. Schon lange ist ihnen das deutsche System der Mülltrennung ein Dorn im Auge - seit 1991 sind die Verbraucher angehalten, ihren Unrat zu sortieren: Verpackungen mit grünem Punkt in die gelbe Tonne oder den gelben Sack, Restmüll in die graue, Papier, Glas und Bioabfälle jeweils extra. Regionale Ausnahmen bestätigen die Regel. Heute, weiß die FDP, wird sie mit ihrem Antrag "Mülltrennung vereinfachen - Haushalte entlasten", erneut im Parlament scheitern. Genüsslich blicken die Liberalen aber auf den kommenden Montag, an dem Nordrhein-Westfalens einflussreiche Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) in Berlin Studien zur effizienteren "Getrennterfassung" präsentieren wird. Die massive Front derer, die nach wie vor im gelben Sack oder der gelben Tonne ein umweltpolitisches Muss sehen, bröckelt damit gewaltig. "Alles in eine Tonne ist nicht Sinn der Untersuchungen", heißt es vorab aus Höhns Ministerium in Düsseldorf.Kosten und Mühen sollen sinken

Das will die Bundes-FDP auch nicht: Bioabfälle, Papier, Pappe, Karton und Glas sollen weiterhin getrennt gesammelt werden. Auch geht es den Liberalen nicht "um die Abschaffung des grünen Punkts", so ihre stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende und umweltpolitische Sprecherin, Birgit Homburger. Sondern um die Senkung von Kosten und Mühen. Denn Hausmüll und Wertstoffe lassen sich mittlerweile maschinell billiger und vor allem besser sortieren als "per Hand" durch den Verbraucher. Im Dezember veranstaltete der Umweltausschuss dazu eine Expertenanhörung mit dem Ergebnis, dass im Restmüll mindestens genau so viel verwertbares Material zu finden ist wie im gelben Sack. "Wenn der Inhalt von gelbem Sack und grauer Tonne sowieso fast identisch ist, sollte man konsequenterweise dies zusammen sammeln", so Homburger. Außerdem ließen sich die Kosten für das Duale System Deutschland (DSD) um bis zu zehn Prozent senken. Fast 1,9 Milliarden Euro gibt das DSD jährlich für die getrennte Sammlung von über sechs Millionen Tonnen Abfall aus. Geld, das sich natürlich über Umwege beim Verbraucher zurückgeholt wird. Der Widerstand in den anderen politischen Lagern gegen die Vereinfachung der Mülltrennung schwindet. Seit der Christdemokrat Hans-Peter Repnik nicht mehr Chef des DSD ist, steht selbst die größte Oppositionsfraktion den vielen technischen Versuchen der Mülltrennung längst nicht mehr so ablehnend gegenüber.Mülltrennung für Grüne kein Dogma mehr

Dass NRW-Ministerin Höhn flächendeckend die vollautomatische Trennung des Hausmülls testen ließ und nun ebenso auf mehr Effizienz setzen will, ist darüber hinaus ein Zeichen (auch an die SPD), dass die Grünen die Mülltrennung nicht mehr als absolute umweltpolitische Errungenschaft ansehen. Sieht man mal von Bundesumweltminister Jürgen Trittin ab, der nach wie vor als streng gläubiger Befürworter gilt. Der kleine Koalitionspartner, heißt es, liebäugelt nun mit der Position des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE): Die getrennte Erfassung "ist morgen nicht überflüssig", erklärt BDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Harmening. "Eine Systemumstellung" - das Ende des gelben Sacks also - sei aber nach den "jeweiligen, örtlichen Gegebenheiten" denkbar.

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