Die Realität trotzt dem Moselochsen-Vorurteil
Bernkastel-Kues/Cochem · Bierseliger Massentourist oder kulinarischer Weinliebhaber, Ballermann oder Kultururlauber - wer besucht eigentlich die Mosel ochsen? Der TV ist der Frage nachgegangen.
Bernkastel-Kues/Cochem. Geht es nach Jakob Strobel y Serra, dann ist der typische Moselurlauber auch heute noch ein Überbleibsel aus den 1970er Jahren - ein Massentourist, der wenig Anspruch auf Küche und Komfort legt, auf Ausflugsdampfern Polonaise tanzt und lieber beim Bier bleibt, als guten Moselwein zu kosten. So zumindest beschreibt der Journalist in einem Artikel, der Ende August in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erschienen ist, überspitzt das Gros der Touristen in der Region (der TV berichtete mehrfach).
Doch wie sieht der Moselurlauber tatsächlich aus? Wer nächtigt zwischen Koblenz und Trier? Wo steigt er ab und wie viel Geld lässt er an der Mosel?
Ein Blick in die Statistik bringt Klarheit: Nach Angaben des Statistischen Landesamts Bad Ems bleibt ein Tourist im Schnitt drei Tage an der Mosel, gibt dabei 79 Euro aus. Am liebsten übernachtet er in Hotels oder Privatquartieren (jeweils 27 Prozent). Auf den von Strobel y Serra bemängelten Campingplätzen entlang der Ufer steigen hingegen nur elf Prozent der Urlauber ab, weitere fünf Prozent sind mit dem Wohnmobil unterwegs.
Nicht nur Massentouristen
Fast ein Drittel der Übernachtungen (32,2 Prozent) entfällt auf ausländische Besucher, die meisten davon aus den Niederlanden und aus Belgien. Mit jährlich mehr als zwei Millionen Besuchern und mehr als sechs Millionen Übernachtungen ist die Mosel die touristisch stärkste Ferienregion in Rheinland-Pfalz (siehe Extra).
Dass die Mehrheit der Urlauber dabei "bierselige Camper, Biker und Radler" sind, "die in den Weinbergen nichts anderes als Dekoration sehen", wie Strobel y Serra schreibt, ist einigen Touristikern da zu überspitzt formuliert. Den absurden Widerspruch, dass der Tourismus im ältesten deutschen Weinbaugebiet zum großen Teil gar kein Weintourismus sei, sieht Harald Bacher nicht gegeben.
"Wir haben ein breitgefächertes Publikum von Familien über Aktiv-, Kultur- und kulinarische Urlauber bis hin zum Pensionär und sicherlich nicht nur den Massentouristen, den Herr Strobel y Serra angesprochen hat", sagt der Verkehrsamtsleiter der Tourist-Info Cochem, der Stadt, die von Strobel y Serra irgendwo zwischen RTL2-Publikum, Moselballermann und Schnitzelparadiesen angesiedelt wurde.
Doch so eindimensional sei man lange nicht aufgestellt. "Herr Strobel y Serra hat leider vieles in seinem Artikel vergessen", sagt Bacher. Natürlich gebe es Schnitzelbuden, aber in Cochem finde der Urlauber etwa auf der Reichsburg auch edle Spezialitäten sowie Spitzenweine und -sekte. Viele kämen gar nur wegen des Weines an den Moselort, zum Beispiel beim jährlich stattfindenden Weinlagenfest. "Die Angebote sind da. Und sie wären nicht da, wenn sie nicht nachgefragt würden", sagt Bacher und verweist auf weit über 370 000 Übernachtungen im Jahr. "Viele der Gäste kommen wieder. Das würden sie nicht tun, wenn es ihnen in Cochem nicht gefiele."
Dass es auch weiter flussauf- und -abwärts viel Weintourismus gibt, bestätigt Sabine Winkhaus-Robert, Chefin der Mosellandtouristik. Zwar lege Strobel y Serra mit seinem Artikel seine Finger in Wunden, doch sei die Mosel als Weinreiseziel überdurchschnittlich bekannt. Neben Angeboten wie etwa der regionaltypischen Gastronomie, der Spitzengastronomie, den Vinotheken und den Qualitätsbetrieben der Dachmarke Mosel verweist Winkhaus-Robert auf eine Untersuchung der FH Westküste, in der das Reiseziel Mosel als eine von insgesamt 13 weintouristischen Regionen untersucht wurde. "Die Ergebnisse zeigen ein klares Themenprofil für die Reiseregion Mosel auf", sagt Winkhaus-Robert. "Unter allen untersuchten Themen können die Urlaubsarten "Weinreise" und "Kulinarik" eindeutig als Profilierungsthemen der Mosel herausgestellt werden."
Der Trierische Volksfreund veranstaltet am Montag, 14. Oktober, 20 Uhr, in der Weinbrunnenhalle Kröver Nacktarsch ein Forum zum Thema Moseltourismus. Diskussionsgäste sind Jakob Strobel y Serra, Journalist, der mit seinem Beitrag in der FAZ die Debatte über die Qualität des Moseltourismus auslöste, Gereon Haumann, Präsident des rheinland-pfälzischen Hotel- und Gaststättenverbandes, Gregor Eibes, Landrat des Kreises Bernkastel-Wittlich, Hermann Lewen, Intendant des Mosel Musikfestivals, Wolfgang Port, Bürgermeister der Stadt Bernkastel-Kues, Sabine Winkhaus-Robert, Geschäftsführerin der Mosellandtouristik GmbH und Matthias Holzmann, ehemals Leiter der Touristinformation Traben-Trarbach.
Extra
Während die Zahl der Gäste und Übernachtungen in allen anderen rheinland-pfälzischen Regionen im vergangenen Jahr zurückgegangen ist (Mosel/Saar: -2,2 Prozent/-2,5 Prozent), ist sie in Rheinhessen und in der Pfalz leicht gestiegen. Rheinhessen hat mit 867 306 Gästen und 1 473 139 Übernachtungen ein Plus von 1,4 Prozent bei den Besuchern und 0,2 Prozent bei den Übernachtungen verbucht. In der Pfalz bedeuteten 1 882 822 Besucher eine Steigerung um 1,3 Prozent. Die Übernachtungen stiegen um 0,3 Prozent auf 4 712 293. Der "typische" Urlauber in Rheinhessen bleibt im Schnitt 1,7 Tage. In der Pfalz bleiben Touristen durchschnittlich zweieinhalb Tage zu Besuch. Den größten Anteil an ausländischen Besuchern nehmen dabei in beiden Regionen jeweils US-Amerikaner ein, gefolgt von Niederländern. fas