Regionale Wirtschaft Die stillen Stars am Unternehmens-Himmel

Trier · 146 heimliche Marktführer mit unheimlich viel Potenzial gibt es in Rheinland-Pfalz. Eine neue Studie der Universität Trier zeigt: Die Region Trier entwickelt sich besser als oft dargestellt.

 Die Christen & Laudon GmbH in Malbergweich produziert glasfaserverstärkte Tanks und Behälter in teils riesigen Dimensionen.

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Foto: Rudolf Höser

Ob es um die gleichbleibende Qualität von Nudelteig, die Wicklung von Verpackungsmaterial als Karton und Folie oder die Herstellung von Biogasanlagen geht: Für viele innovative Projekte braucht es findige Erfinder, akribische Entwickler und präzise Hersteller. 146 von ihnen haben – teils weltweit – als Marktführer ihrer Branche ihren Sitz in Rheinland-Pfalz, 31 von ihnen sogar in der Region Trier (siehe Infokasten). „Was sie so außergewöhnlich macht, ist der geringe Bekanntheitsgrad, den sie trotz ihrer enormen Bedeutung für die Wirtschaft und Gesellschaft des Landes haben“, sagt Jörn Block, Professor für Unternehmensführung und Sprecher des Forschungszentrums Mittelstand an der Universität Trier.

In einer neuen Studie unter seiner Leitung gibt es von den Trierer Wirtschaftswissenschaftlern erstmals eine systematische Analyse sogenannter Hidden Champions oder heimlicher Marktführer in Rheinland-Pfalz, gefördert durch das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium. Demnach gelten Unternehmen, die auf dem Weltmarkt zu den Top 3 gehören oder in Europa an der Spitze ihrer Marktnische stehen, mindestens 20 Mitarbeiter beschäftigten, seit mehr als zehn Jahren bestehen und einen jährlichen Umsatz von mindestens fünf Millionen Euro erwirtschaften, laut der Untersuchung zu den Hidden Champions.

Erstmals hat der gebürtige Hasborner Professor Hermann Simon diesen Begriff 1990 geprägt, der damit die Ursachen des deutschen Exporterfolgs im Ausland erklären wollte. „In ihrem Markt sind diese Unternehmen nicht nur sehr erfolgreich, sondern sind auch für ihre Region von Bedeutung, weil sie eine große Wertschöpfung erzielen“, erklärt Studienleiter Block. Darüber hinaus gebe es zahlreiche weitere innovative Betriebe in der Region Trier, die ebenfalls als Mittelständler ihren Markt dominierten (http://unternehmenslisten.mittelstand.uni-trier.de).

In der Studie gehe es vor allem um innovationsorientierte, technologische und hochpreisige Produkte mit Übertragungseffekten (Spill Over). „Dies ist positiv für eine Region, denn diese Betriebe bieten nicht nur eine Wertschöpfung für alle an, sondern auch gut bezahlte Arbeitsplätze mit Zukunftschancen für höher Qualifizierte, eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sowie eine Vielzahl von Patenten“, sagt der Wissenschaftler und verweist auf immerhin 20 Milliarden Euro Umsatzerlöse pro Jahr durch dieses Segment der Hidden Champions im Land. Zudem beschäftigen diese 146 Hidden Champions mit einem Anteil von weniger als ein Prozent an allen rheinland-pfälzischen Unternehmen elf Prozent aller Beschäftigten im Land.

Die Stärken dieser Unternehmen liegen laut den Forschern auf der Hand: Sie beherrschen ihre Produkte und Kompetenzen perfekt, haben oftmals herausfordernde Kunden, die für ihre individualisierten Produkte auch ordentlich bezahlen. Die Gefahren haben die Trierer Wirtschaftswissenschaftler ebenfalls herausgearbeitet: Wer etwa über eine Vielzahl von Exporten groß geworden ist, dem drohen diese Exportmärkte bei veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise durch Zölle jüngst in den USA wegzubrechen.

„Auch können sich die Erfolgsrezepte verändern, wenn sich die Spielregeln verändern“, gibt Jörn Block zu bedenken. Beispiel Automobilindustrie: „Es wird schwer für die vielen Automobilzulieferer in der Region Trier werden, wenn mit dem Wandel in der Automobilindustrie zu mehr E-Mobilität sich auch die Anforderungen ändern. Sie müssen aufpassen nicht überflüssig zu werden, weil sich der Markt ändert.“

So sind die fortschreitende Digitalisierung und der Trend zur Nachhaltigkeit Herausforderungen, die die meisten als Chance sehen. „Die meisten Betriebe wollen dieses aus ihrer Marktführerschaft heraus aktiv angehen“, sagt Mitarbeiter Matthias Johann. Heißt: Wenn es für die Kunden wichtiger wird, energiearme Produkte herzustellen, so wird Kooperation mit anderen inzwischen als Vorteil betrachtet: „Etwas, was eigentlich nicht in der Natur der Nischenmarktführer liegt“, sagt Block. „Sie müssen sich auf ihre Fähigkeiten konzentrieren und sich auf andere Märkte einstellen.“ Bei bundesweit insgesamt 1674 Hidden Champions machen die rheinland-pfälzischen stillen Stars am Unternehmenshimmel knapp neun Prozent aus, das Land steht den Zahlen nach absolut auf Rang fünf. Was Alter, Umsatz oder Branche angeht, gibt es keine großen Unterschiede. So sind drei Viertel der Betriebe im verarbeitenden Gewerbe tätig, dominiert durch den Maschinenbau, danach folgen technologieintensive Branchen. Aufs Land Rheinland-Pfalz bezogen gibt es die meisten Weltmarktführer im Kreis Bernkastel-Wittlich, ebenso wie in Neuwied und dem Westerwald. Zudem gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle mit 28 Prozent aller Hidden Champions in den fünf nördlichsten Kreisen und nur knapp sieben Prozent in den fünf südlichen Kreisen. Für Wirtschaftsstaatssekretärin Daniela Schmitt ist klar: „Die hohe Zahl der Hidden Champions im Land spricht für die grundsätzlich positiven Rahmenbedingungen.“

Verbesserungen sehen die Betriebe vor allem beim Ausbau regionaler Infrastruktur und einer besseren Kooperation zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. „Hier sehen wir die größte Quelle für die Schaffung neuer Hidden Champions, etwa dank Start-ups aus den Hochschulen heraus“, sagt der Trierer Studienleiter. Er selbst denkt für die Region Trier und das Forschungszentrum Mittelstand über einen sogenannten Innovationskreis zwischen Forschung und Wirtschaft nach.

 Mitten in der Eifel entstehen Produkte für den Weltmarkt in Nieder- und Hochfrequenz-Messtechnik.

Mitten in der Eifel entstehen Produkte für den Weltmarkt in Nieder- und Hochfrequenz-Messtechnik.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

„Die Region Trier ist in der Wahrnehmung bislang häufig schlecht weggekommen. Sie ist entgegen aller Vorurteile kein Pendler-Vorort von Luxemburg, sondern zeigt durchaus unternehmerische Highlights“, lobt Professor Block. Man habe zahlreiche Unternehmen nicht im Blick, weil sie nicht unbedingt im Oberzentrum Trier angesiedelt seien. Die Herausforderung stellt sich damit automatisch für die Betriebe, einerseits viel Aus­strahlungskraft aus der Region heraus aufbringen zu müssen, um bekannter zu werden, und gleichzeitig nicht Gefahr zu laufen, bei einer eventuellen Übernahme oder einem Aufkauf ihre Unabhängigkeit zu verlieren und gleichzeitig neue Vertriebschancen zu nutzen. „Wir haben regionale attraktive Unternehmen, wie wir aus unserer Innovationsstudie wissen. Da darf die Region ruhig stolz drauf sein.“

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