Dumpinglöhne per Koalitions-Kompromiss?

Im Windschatten des jüngsten Konjunkturpakets haben sich Union und SPD auch auf gesetzliche Regelungen für einen Mindestlohn bei Leiharbeitern verständigt. Die konkrete Höhe ist aber vorerst unklar. Bei den großen Gewerkschaften herrscht Alarmstimmung. DGB-Chef Michael Sommer kündigte gestern "energischen Widerstand" gegen die politischen Pläne an.

Berlin. (vet) Der Deal schien perfekt zu sein: In der jüngsten Sitzung des Koalitionsausschusses verzichtete die SPD auf ihre Forderung nach einer höheren Reichensteuer. Dafür gab die Union ihren monatelangen Widerstand gegen allgemeinverbindliche Lohnuntergrenzen in der Zeitarbeitsbranche auf. "Wir wollen bis Ende Januar ein Gesetzgebungsverfahren einleiten, das im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Lohnuntergrenze etabliert, die die Tarifautonomie wahrt." So lautet der entsprechende Beschluss. Bei seiner Deutung gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich hochzufrieden, dass mit der "Ausbeutung in der Branche" endlich Schluss sei. Dagegen sah die Gewerkschaft Verdi "dem Lohndumping weiterhin Tür und Tor geöffnet".

Fest steht zumindest, dass Scholz deutliche Abstriche an seinem Mindestlohnvorhaben machen muss. Wie die meisten Branchen, die sich für Lohnuntergrenzen interessieren, wollte der Minister auch die Zeitarbeit in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufnehmen. Weil dadurch Tarifvereinbarungen mit besonders niedrigen Lohnuntergrenzen Makulatur gewesen wären, stellte sich jedoch die Union quer. Bei den rund 700 000 Leiharbeitern gibt es drei Arbeitgeberverbände und zwei Tarifverträge. Zwei Arbeitgeberverbände sind für branchenverbindliche Mindestlöhne. Dazu schlossen sie mit den DGB-Gewerkschaften einen Tarifvertrag ab, der als niedrigsten Stundenlohn 7,31 Euro im Westen und 6,36 Euro im Osten vorsieht. Der dritte Arbeitgeberverband einigte sich hingegen mit dem kleinen Christlichen Gewerkschaftsbund auf etwas geringere Entgelte: 7,21 Euro (West) und sechs Euro (Ost). Durch die politische Festlegung auf das Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz kann Scholz nun nicht mehr den Vertrag mit dem DGB für allgemeinverbindlich erklären. Die Union wertet das ihrerseits als Erfolg.

Öffnungsklausel ist der Stein des Anstoßes



Dagegen läuft DGB-Chef Sommer Sturm. Für die Zeitarbeit dürften "keine Hungerlöhne zum Mindestlohn" erklärt werden, schimpfte er gestern bei einem Gastauftritt in der SPD-Bundestagsfraktion. Der ausgehandelte DGB-Tarif müsse das "Minimum" sein. Dabei liegen die verschiedenen Lohnuntergrenzen eigentlich gar nicht so weit auseinander. Beim DGB stößt man sich jedoch vor allem an einer Öffnungsklausel, die im Kleingedruckten des Tarifvertrages der christlichen Gewerkschaftskonkurrenz steht. Demnach kann der Mindestlohn bei neu eingestellten Zeitarbeitern im Westen für vier Monate nochmals um knapp zehn Prozent auf 6,53 Euro gedrückt werden. Im Bundesarbeitsministerium wird deshalb nach Lösungen bei der Gesetzgebung gesucht, um wenigstens dieses Einfallstor zu schließen.

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