E10 an den Zapfsäulen: Günstiges Superbenzin bleibt auf der Strecke

Trier · Noch gibt es den umstrittenen Biokraftstoff E10 nur an wenigen Tankstellen der Region. Dort, wo er angeboten wird, wird aber statt des billigeren Super 95 nur noch teureres Super 98 verkauft. Der ADAC spricht von Abzocke und hat Mineralölkonzerne angezeigt.

Preisunterschiede an Tankstellen innerhalb einer Stadt sind nichts Ungewöhnliches. Wer jedoch derzeit die Spritpreise aufmerksam vergleicht, wird feststellen, dass es zum Teil enorme Unterschiede bei Super gibt. Beispiel Trier. An einer Tankstelle ist gestern Mittag Super für 1,589 Euro pro Liter verkauft worden. Ein paar Hundert Meter weiter kostet der Liter Super 1,669 Euro. Erklärung für diesen Preissprung: Dort, wo Super teurer ist, wird der umstrittene Biokraftstoff E10 - Benzin, das zehn Prozent Bioethanol enthält - verkauft. Und das, was dort als Super verkauft wird, ist nicht mehr das billigere Super 95, sondern das teurere Super 98. Gekennzeichnet wird es aber nur als Super.

Kein Platz für 95er Super



An Tankstellen, die E10 anbieten, könne nicht zusätzlich noch das bisherige Super 95 angeboten werden, bestätigt Karin Retzlaff, Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes auf TV-Anfrage. Es gebe zu wenig Lagerkapazitäten an den Tankstellen, so ihre Begründung. Außerdem werde nach der Einführung von E10 weniger Super 95 produziert.

Der Mineralölkonzern Shell hatte bereits im Februar angekündigt, das herkömmliche Super 95 nicht mehr anzubieten. Als Grund wurde genannt, dass die Produktionsmöglichkeiten der Raffinerien und die Anzahl der Kraftstofftanks in Tanklagern und an den Tankstellen begrenzt seien. Kurioserweise bieten aber ausgerechnet viele Shell-Tankstellen in der Region derzeit weiterhin Super 95 an, allerdings nur wenige verkaufen E10.

Das bestätigt auch Peter Jan Schlüschen. Der Trierer Unternehmer besitzt zwölf Tankstellen, unter anderem in Luxemburg. An seinen Shell-Stationen werde kein E10 verkauft, sagt Schlüschen dem TV. Die geringe Akzeptanz des neuen Biokraftstoffes erklärt er sich nicht nur mit der angeblichen Unverträglichkeit einiger Autos: "Man kann niemanden zwingen, Lebensmittel zu vertanken", sagt Schlü schen und spielt damit auf die Herstellung des im E10 enthaltenen Bioethanols an, für das zum Beispiel Getreide verwendet wird.

Weil kaum Autofahrer E10 tanken, gleichzeitig aber weniger Super produziert wird, komme es immer wieder zu Lieferengpässen bei "normalen" Kraftstoffen, sagt Schlüschen. Zur Not importiere er eben Super-Benzin aus Luxemburg, so der Unternehmer.

Eigentlich sollte E10 bis Ende März bundesweit verfügbar sein. Die Konzerne hätten aber die weitere Einführung erst einmal "ausgesetzt", sagt die Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes. Eine Verhaltensänderung bei den Kunden gehe nicht von heute auf morgen, so Karin Retzlaff. Sie sieht keinen gesetzlichen Verstoß darin, dass Super 95 vom Markt verschwinde. Die Verordnung sehe vor, dass neben dem Biokraftstoff auch weiterhin Kraftstoff, der mit fünf Prozent Ethanol versetzt ist, verkauft werden muss. Das treffe auf Super plus zu.

Das sieht der ADAC anders. Für Reinhard Moll, Sprecher des ADAC Mittelrhein in Koblenz, ist das Verschwinden von Super 95 "reine Abzocke". Die Konzerne hätten die Einführung von E10 dazu genutzt, auf das teurere Super 98 umzustellen. Autofahrer würden damit gezwungen, mehr zu bezahlen, als sie eigentlich müssten, sagt Moll. Der ADAC hat daher gestern die Mineralölkonzerne Aral, BP, Jet, OMV und Shell angezeigt. Sie verstoßen nach Ansicht des Automobil-Clubs gegen die gesetzliche Vorschrift, neben E10 weiter Super 95 anzubieten.

Der ADAC unterstütze die Einführung von E10, sagt Moll. Ein Großteil der in Deutschland zugelassenen Autos mit Benzinmotor könne den neuen Sprit tanken, ohne dass Schäden bei den Fahrzeugen zu erwarten seien. Aber die Autofahrer müssten wählen können, welchen Kraftstoff sie tanken wollen, so der Koblenzer ADAC-Sprecher.

Mit dem Preis-Chaos an den deutschen Tankstellen vergrößert sich übrigens der Preisunterschied zu den Luxemburger Tankstellen, wo auch weiterhin kein E10 angeboten, dafür aber Super 95 verkauft wird. Bislang lag der Preisunterschied zwischen deutschen und luxemburgischen Super pro Liter bei rund 28 Cent.

Gestern kostete der Liter Super 95 in Luxemburg 1,304 Euro, für Super 98 musste 1,327 Euro bezahlt werden.

EXTRA E10 - WAS STECKT DAHINTER?



Mit der Einführung des Biokraftstoffes E10 setzt die Bundesregierung einen Beschluss der EU um, den CO-Ausstoß um 20 Prozent bis 2020 zu reduzieren. Bislang waren Mineralölkonzerne in Deutschland bereits verpflichtet, einen Bio-Anteil im Diesel von wenigstens 4,4 Prozent und für Ottokraftstoffe von 2,8 Prozent beizumischen. Die Verordnung wurde geändert und ermöglicht nun, auch Super-Benzin mit maximal zehn Prozent Ethanol unter der Bezeichnung E10 anzubieten. Doch E10 ist ein Ladenhüter. Die Mehrheit der deutschen Autofahrer tankt weiterhin nicht den ungeliebten Biosprit. "Der Absatz von E10 beim Ottokraftstoff liegt nur bei 20 bis 25 Prozent", heißt es etwa beim Mineralölkonzern Total. Nur 30 bis 40 Prozent der E10-tauglichen Autos würden damit tatsächlich betankt, sagt ein Aral-Sprecher. Shell nannte die Akzeptanz "unverändert schlecht". Nur jeder Dritte, der es tanken könne, tanke es auch. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hatte alle Beteiligten am 8. März zum ersten "Benzin-Gipfel" eingeladen, der aber keine nennenswerten Ergebnisse brachte. wie/dpa

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