Ein betrogener Betrüger?

Trier · Die dritte Große Strafkammer des Landgerichts Trier unter Vorsitz von Richter Armin Hardt hat einen 47-jährigen ehemaligen Spediteur aus der Eifel wegen Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft und Betrugs zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. In der Verhandlung kamen einige Details aus der Branche zur Sprache.

Trier. Nach der Urteilsverkündung gegen einen 47-jährigen Ex-Spediteur aus Bleialf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) schienen fast alle Beteiligten erleichtert zu sein. Der angeklagte ehemalige Unternehmer hatte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gestanden und damit ein möglicherweise sehr langwieriges Verfahren abgekürzt. Sieben der insgesamt 152 aufgeführten Einzeltaten wurden nicht verfolgt, weil der durch diese Taten verursachte Schaden nicht bekannt ist. Für die übrigen 145 Taten verurteilte die dritte Große Strafkammer den Mann zu einer Gesamtgefängnisstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und folgte damit dem Antrag von Staatsanwältin Julia Schmitz-Garde. Eine Höchststrafe von bis zu 15 Jahren wäre möglich gewesen.
Billiglöhne für Fahrer



Nach Ansicht des Gerichts wirkte sich strafmildernd aus, dass der Mann ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, dass er nicht vorbestraft ist und er als einfacher LKW-Fahrer eine Firma aufgebaut habe, die ihm über den Kopf gewachsen sei.
In seinem Geständnis stellte sich der 47-Jährige teilweise selbst als Opfer dar. Nachdem er sich 1998 mit einem einzigen LKW selbstständig gemacht hatte, wuchs die Spedition in den kommenden Jahren. 2010 liefen 40 geleaste Lastzüge auf Rechnung des Bleialfers. Die entsprechenden Auflieger und alle Termine habe er von einem großen österreichischen Speditionskonzern erhalten, erzählt der Mann. "Die Fahrer haben die Aufträge direkt aus Österreich per SMS erhalten oder ich habe Faxe der Firma weitergeleitet. Die Firma wurde fremd disponiert", sagt er. Um genügend Fahrer zu haben, hatte er 2008 über einen Vertrauensmann und ein eigenes Büro zunächst in Prag und später in Olmütz Mitarbeiter in der Tschechischen Republik angeworben. Diese sollten zu den dort üblichen Löhnen (etwa 500 bis 800 Euro plus Spesen im Monat) in Deutschland und in Europa fahren. Versprochen hatte er ihnen aber deutsche Löhne. Doch der Mittelsmann habe ihn selbst mit gefälschten Belegen und Betrügereien um rund 140 000 Euro geprellt. Erst später habe er erfahren, dass sein Vertrauensmann in der Tschechei schon vielfach durch Skandale aufgefallen sei. In einem Fall sei sogar ein Minister über eine Affäre gestolpert und musste zurücktreten, erzählt er. Seine Versuche, mit Hilfe der tschechischen Justiz sein Geld zurückzubekommen, seien bis heute gescheitert.
Nachdem ihm die Hausbank die Kreditlinie gekündigt habe, musste er rund 500 000 Euro aufbringen, schildert der Angeklagte die Entwicklung. "Ich habe ein viel zu großes Rad gedreht und am Schluss gar nichts mehr im Griff gehabt", gesteht er. Mit einer Firma musste er dann in Luxemburg Konkurs anmelden, doch fast gleichzeitig gründete er auf den Namen seiner Frau eine neue Firma im Großherzogtum. "Um nicht vor dem Nichts zu stehen", gibt er Einblick in sein Geschäftsgebaren.
Gesteuert aber wurde alles aus Bleialf. Dass er dabei nicht immer auf festem rechtlichen Boden stand, war ihm nach eigenen Angaben wohlbekannt.
Bei den Fahrern und Unternehmen, die von ihm keinen Lohn oder Geld für ausstehende Rechnungen bekommen hatten, entschuldigt er sich.
Entsprechend bat sein Rechtsanwalt Andreas Ammer um ein mildes Urteil. Der Wettbewerb im Speditionsgewerbe gehe an der europäischen Wirklichkeit vorbei. Für seinen Mandanten sei das alles eine Nummer zu groß gewesen. Zudem würden die Bedingungen von den großen disponierenden Speditionsfirmen vorgegeben. Auch kleine Unternehmen würden ihre Zugmaschinen unter polnischer, russischer oder tschechischer Flagge auf die Straße schicken, um im Wettbewerb zu bestehen. So sei der Angeklagte in diesem System ausgenutzt worden, genau so, wie er seine Fahrer ausgenutzt habe.
Anonyme Vorwürfe


Kurioserweise scheint der Fall durch einen anonymen Brief ins Rollen gekommen zu sein. Richter Armin Hardt verlas das Schreiben, das an die Oberfinanzdirektion gerichtet ist und sehr detailliert Vorwürfe erhebt, die bestätigt wurden. Der Angeklagte hat dafür einen Verdacht: "Das war mein Bruder, der heute in Thailand lebt und von mir Geld wollte."
Bei allen Punkten, die das Gericht zugunsten des Angeklagten auslegte, ließ Richter Armin Hardt dennoch keinen Zweifel an der Schwere der Taten. "Die Vielzahl der Fälle, die Höhe der Schadenssumme gegenüber einzelnen Fahrern sowie die Höhe des Gesamtschadens, die sich bei über einer Million Euro bewegt, spricht von einer hohen kriminellen Energie", urteilte der Vorsitzende Richter.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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