Ein nationales Großprojekt

Industrie und Politik sind sich einig: Deutschland soll in puncto elektrischer Mobilität einen gewaltigen Schritt nach vorne machen. Die Sache wird als so bedeutend angesehen, dass eine "nationale Plattform" ins Leben gerufen wurde.

Berlin. Die Vorstandsvorsitzenden der größten deutschen Autohersteller waren sich für nichts zu schade. BMW-Chef Norbert Reithofer fuhr eigenhändig mit einem Elektro-Mini vor, sein Daimler-Kollege Dieter Zetsche mit einem Batterie-Smart. Peter Löscher von Siemens toppte diesen Auftritt jedoch locker mit der "Viktoria". Der Konzern hatte das kutschenähnliche Elektrogefährt von 1905 originalgetreu nachbauen lassen, damit es Löscher nun beim Berliner Elektromobilitätsgipfel der Kanzlerin präsentieren konnte.

Im Automarkt der Zukunft will jeder dabei sein



Es geht um den Automarkt der Zukunft, und da will jeder dabei sein. Neben den Herstellern auch noch Stromanbieter, Zulieferer, Batteriehersteller, Software-Entwickler, Unternehmensberater. Mehr als 500 Firmen- und Regierungsvertreter verzeichnete die Gästeliste in der Hauptstadtrepräsentanz der Telekom.

Bei dem Treffen wurde der Startschuss für eine nationale Kraftanstrengung gegeben. Gemeinsam wollen Regierung und Industrie Deutschland zum "Leitmarkt und Leitanbieter" für Stromautos machen, wie es im Abschlusskommuniqué heißt. Eine Million Fahrzeuge bis 2020 ist das erste Ziel.

Neben der Brennstoffzellentechnik, die weiterhin parallel mit Staatszuschüssen erforscht wird, gibt es nun eine "Nationale Plattform Elektromobilität", die zunächst aus sieben Arbeitsgruppen besteht. Sie sollen sich mit Fragen wie der künftigen Lade-Infrastruktur, der Antriebstechnologie oder der Qualifizierung der Elektroautomechaniker beschäftigen. Organisiert wird die Arbeit im Wirtschaftsministerium von einer "Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität (GGEMO)" der Bundesregierung. Im Konjunkturprogramm II wurden bisher 500 Millionen Euro Fördermittel für die Forschung bereitgestellt, mit denen unter anderem in acht Modellregionen in Deutschland Versuche finanziert werden. Dabei geht es auch darum, herauszufinden, welche Standards - bei den Steckern angefangen - am besten sind und wie sie zwischen den Herstellern harmonisiert werden können.

Angela Merkel mahnte, sich mit dem Harmonisieren nicht allzu viel Zeit zu lassen. "Die Welt schläft nicht."

Direkte Zuschüsse beim Kauf von E-Mobilen, wie sie etwas Frankreich plant, will die Bundesregierung nicht geben. "Das hier ist kein Subventionsgipfel", sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Man setze auf "marktwirtschaftliche Lösungen". Und auch Verkehrsminister Peter Ramsauer hält Zuschüsse für überflüssig, denn: "Ich bin überzeugt, das E-Mobil aus Deutschland wird so attraktiv sein, dass jeder es haben will."

Die Wirtschaft hielt sich in dieser Frage bedeckt. Die Frage von Kaufanreizen müsse man heute nicht entscheiden, sagte der Präsident des Herstellerverbandes VDA, Matthias Wissman. Er fügte hinzu: Gegenwärtig seien E-Mobile etwa 5000 bis 10 000 Euro teurer als herkömmliche Modelle. "Wenn man eine Durchdringung der Märkte haben will, muss der Preisabstand kleiner werden".

Neben einem E-Mobil-Angebot der deutschen Hersteller setzt die Regierung auch auf die Entwicklung eigener Batterien. Ziel der Forschungsförderung in diesem Bereich sei die "industrielle Fertigung in Deutschland", heißt es im Schlusspapier.

extra Hybridantrieb bedeutet, ein Kraftfahrzeug hat zwei Antriebsquellen: einen Verbrennungsmotor und einen Elektromotor, die wahlweise als Kraftquellen angezapft werden können. Von Plug-In-Hybrid spricht man, wenn die elektrische Kraftquelle (Akkumulator) des Fahrzeugs sich an der Steckdose aufladen lässt.

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