Ein Neustart nahe der alten Heimat

Trier · Neun Auszubildende des Trierer Stahlwerks, das Ende Mai nach der Insolvenz stillgelegt wurde, haben schnell eine neue Arbeit gefunden - seit Freitag sind sie beim Autozulieferer GKN Driveline im Trierer Hafen beschäftigt.

 Einarbeiten in neuer Umgebung: Sieben der neun Auszubildenden, die von GKN Driveline nach der Insolvenz des Trierer Stahlwerks übernommen wurden, hatten Freitag ihren ersten Arbeitstag. Links Werkleiter Roland Seidel und Personalchef Gregor Münch, rechts Ausbilder Martin Gaszczyk. TV-Foto: Björn Pazen

Einarbeiten in neuer Umgebung: Sieben der neun Auszubildenden, die von GKN Driveline nach der Insolvenz des Trierer Stahlwerks übernommen wurden, hatten Freitag ihren ersten Arbeitstag. Links Werkleiter Roland Seidel und Personalchef Gregor Münch, rechts Ausbilder Martin Gaszczyk. TV-Foto: Björn Pazen

Trier. Martin Gaszczyk freut sich auf seine Neuzugänge. Der Ausbilder von GKN Driveline, der in der firmeninternen Ausbildungswerkstatt tätig ist, konnte am Freitagmorgen neun besondere Azubis aus allen Lehrjahren zu ihrem ersten Arbeitstag in neuer Umgebung begrüßen. Und die angehenden Industriemechaniker, Elektrotechniker und Industriekaufleute kennen ihren neuen Arbeitgeber aus der direkten Nachbarschaft. Sie alle waren bislang beim insolventen Trierer Stahlwerk beschäftigt, das am 22. Mai endgültig seinen Betrieb eingestellt hatte und quasi auf der anderen Straßenseite beheimatet war.
"Ein guter Tag für alle"


Im Gegensatz zu vielen jetzt arbeitslosen Stahlwerksmitarbeiter fanden die Jugendlichen schnell eine neue Heimat - alle in ihren bisherigen Ausbildungsberufen. Innerhalb von nur einer Woche war klar, dass der Autozulieferer neun der zwölf Stahlwerksazubis übernimmt - zwei stecken mitten in der Abschlussprüfung, der zwölfte wechselte zu Volvo.
"Das ist ein guter Tag für alle, für unser Unternehmen sind sie eine Bereicherung", sagte Roland Seidel, Geschäftsführer und Werkleiter bei GKN Driveline am Freitagmorgen, als die Azubis ihre neuen Ausbildungsverträge erhielten. Seidel betonte, dass man "im Trierer Hafen zusammensteht. Auch wir hatten schlechtere Zeiten, und das schweißt zusammen." GKN Driveline erhöhte durch die Übernahme vom Stahlwerk die Zahl seiner Auszubildenden auf 55, was über zehn Prozent der gesamten Belegschaft von 487 Mitarbeitern ausmacht. "Das ist eine Herausforderung für uns, denn jetzt sind wir in der Ausbildungswerkstatt komplett ausgelastet. Aber das werden wir stemmen", ist sich Ausbilder Gaszczyk sicher.
Dass sie so schnell einen neuen Arbeitgeber fanden, ist für die ehemaligen Stahlwerker wie ein Sechser im Lotto: "Uns allen konnte wirklich nichts Besseres passieren, vor allem, weil wir alle im gleichen Betrieb untergekommen sind", sagt Adam Trybulski, Industriemechaniker im ersten Ausbildungsjahr. Für ihn ist wichtig, "dass wir endlich wieder richtig arbeiten können. Das war am Ende der Stahlwerkzeit ja nicht mehr der Fall, da stand ja die Produktion still." Trybulski freut sich auf einen "tollen Betrieb mit ähnlichen Ausbildungsinhalten, wie wir sie schon vorher hatten. Aber wir werden auch viel Neues lernen."
Nach einem allgemeinen Neustart der Ausbildung mit viel Grundlagen werden alle neuen Azubis in den unterschiedlichen Abteilungen von GKN Driveline eingearbeitet. Das Trierer Unternehmen produziert im Werk Trier für alle namhaften Autohersteller Teile für Antriebswellen (siehe Extra). "Mal sehen, wie sich die Konjunktur entwickelt, dann werden wir sehen, wen wir übernehmen können. Aber machen sie erst einmal ihren Abschluss", sagte Werkleiter Roland Seidel in seiner Begrüßung.
Großes Lob für die Übernahme-Aktion gab es von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier sowie der Agentur für Arbeit. "So etwas habe ich noch nie erlebt, das ist ein ganz besonderer Akt eines ganz außergewöhnlich guten Ausbildungsbetriebs", sagte IHK-Geschäftsführer Marcus Kleefisch. In ungewöhnlicher Weise beglückwünschte Edeltraud Nikodemus die neun zu ihren neuen Ausbildungsplätzen: "Ich bin froh, dass ich sie nicht in unserem Haus begrüßen muss, sondern bei GKN treffen darf."
Von Stahl zu Stahl


Statt Stahl produzieren heißt es künftig also Stahl bearbeiten und formen für die Automobilindustrie. Eine Umstellung, aber eine, die alle neun gerne auf sich nehmen nach der Insolvenz ihres früheren Arbeitgebers. Und bald werden die Azubis auch im neuen Produktionsabschnitt von GKN arbeiten, der Ende Juni nach einer Investition von 20 Millionen Euro eingeweiht wird.Extra

GKN Driveline Trier ist 1964 unter dem Namen "Rheinmetall Schmiede- und Presswerk Trier GmbH" im Trierer Hafen entstanden. Von 1993 bis 2003 hieß das Unternehmen GKN Walterscheid, dann wurde es zur GKN Driveline Trier. Mutterkonzern ist der globale Technologiekonzern GKN mit Produktionsstätten in mehr als 30 Ländern und rund 40 000 Mitarbeitern. Bei GKN Driveline Trier arbeiten derzeit 487 Mitarbeiter auf dem 135 000 Quadratmetern großen Betriebsgelände im Trie rer Hafen. Im vergangenen Jahr produzierte das Werk 80 Millionen einzelne Teile für alle namhaften Autohersteller aus rund 80 000 Tonnen Stahl (umgerechnet 1600 Eisenbahnwaggons oder 3200 LKW), größtenteils für Antriebswellen. BPExtra

Beim Trierer Stahlwerk gibt es keine neuen Erkenntnisse. Noch immer kam es nicht zur Einigung mit einem möglichen Käufer. Das Stahlwerk, das 1971 von Walter Rass gegründet wurde, ist nach 2002 zum zweiten Mal in Insolvenz. Im Februar wurde das Verfahren eröffnet. Alle Bemühungen, das Werk zu verkaufen, scheiterten, so dass der Dortmunder Insolvenzverwalter Christoph Schulte-Kaubrügger im Mai das Stahlwerk stillgelegt hat. Die verbleibenden 200 Mitarbeiter werden ein halbes Jahr lang in einer Transfergesellschaft qualifiziert. Vor der Insolvenz beschäftigte das Stahlwerk 300 Mitarbeiter. Die IG Metall hofft immer noch auf einen Investor, "doch derzeit gibt es noch kein Ergebnis", sagte IG-Metall-Chef Roland Wölfl. hw

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