Eine Stimme mit viel Gewicht

Mit einer zentralen Feier in Berlin und einer Festrede von Bundespräsident Horst Köhler begeht der Deutsche Gewerkschaftsbund heute sein 60-jähriges Bestehen. In der Region Trier waren die ersten Jahrzehnte nicht einfach für die Gewerkschaft, wie sich der langjährige DGB-Chef Karl-Heinz Päulgen erinnert.

 Karl-Heinz Päulgen (links) und Christian Z. Schmitz mit der DGB-Gründungsurkunde. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Karl-Heinz Päulgen (links) und Christian Z. Schmitz mit der DGB-Gründungsurkunde. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Berlin/Trier. 60 Jahre und kein bisschen leise: Auch im Jubiläumsjahr erheben der Deutsche Gewerkschaftsbund und sein Vorsitzender Michael Sommer unüberhörbar die Stimme für Gerechtigkeit und Solidarität. Erst recht nach dem aus DGB-Sicht enttäuschenden Ergebnis der Bundestagswahl. "Die Gewerkschaften sind das Stärkste, was die Schwachen haben", wirbt Sommer für die Sache des Gewerkschaftsbundes.

16 Einzelgewerkschaften ließen im Oktober 1949 die Zersplitterung der Arbeiterbewegung in Richtungsgewerkschaften endgültig hinter sich. Unter dem DGB-Dach waren damals 5,5 Millionen Gewerkschafter versammelt. Heute sind es 6,4 Millionen.

"Die sechs Jahrzehnte DGB haben auch in der Region ihre Spuren hinterlassen", sagt der langjährige Trierer DGB-Chef Karl-Heinz Päulgen. "August Wolters, Willi Torgau, August Hartmanni gehörten in Trier zu den großartigen Männern der erste Stunde", erzählt Päulgen, der selbst gut 35 Jahre DGB-Arbeit leistete und 20 Jahre DGB-Chef war, bevor er im Frühjahr das Amt an Christian Z. Schmitz abgab. In den sechs Jahrzehnten führten nur vier Geschäftsführer den DGB in der Region: Fridolin Theisen, Josef Endres, Karl-Heinz Päulgen und Christian Z. Schmitz. In den ersten Jahren sei es für Gewerkschaften sehr schwer gewesen, an der Mosel Fuß zu fassen. "Hier gab es keine gewachsene Arbeiterschaft wie im Saarland oder in NRW", sagt Päulgen. Viel Überzeugungsarbeit sei nötig gewesen, um den Menschen die Gewerkschaftsideen, Betriebsräte oder gar Streiks näher zu bringen. "Wenn wir früher einen Mitarbeiter von einem Streik überzeugen wollten und ihm erklärten, er bekomme Streikgeld, haben die meisten nur gelacht. ,Das brauche ich nicht, da verkaufe ich eine Kuh oder ein Fuder Wein mehr und habe alles was ich brauche'", habe man ihm oft geantwortet, erzählt Päulgen von der mühevollen Arbeit in den 60ern. "Wir waren damals in Trier Gewerkschafts-Diaspora." Doch in den folgenden Jahren wurde der DGB immer mehr akzeptiert, von den Parteien, von den Kirchen und vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung. Als 1978 zum ersten Mal in Trier streikende IG Metaller mit Fahnen und Transparenten durch die Porta Nigra zogen, war das für Karl-Heinz Päulgen auch symbolisch eine Art Durchbruch.

Heute gehören rund 25 000 Mitglieder dem DGB in der Region an. Hinzu kommen rund 3700 deutsche Grenzgänger, die über den luxemburgischen OGBL angeschlossen sind. Vor allem die Verbindungen ins Großherzogtum zählt der DGB Trier zu seinen großen Erfolgen. "Wir waren die ersten, die ein gemeinsames Gewerkschaftsbüro in Bitburg eingerichtet haben. Und die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Luxemburg soll auch weiter ein Schwerpunkt bleiben. Christian Z. Schmitz, erst knapp 100 Tage im Amt, weiß, dass auf ihn und seine Mitstreiter viel Arbeit zukommt. In Bund und Land gehen die Mitgliederzahlen zurück, in der Region sind sie (noch) stabil. "Weniger Mitglieder, weniger Geld, mehr Arbeit", so sieht Schmitz die Herausforderungen. Deshalb müsse sich der DGB weiter professionalisieren und noch effizienter werden. Für Schmitz ist die Leiharbeit ein großes Thema, denn nach seiner Ansicht nutzt die Wirtschaft das Instrument, um die Stammbelegschaft zu verkleinern und viele Arbeiten billiger einzukaufen. Auch für Mindestlöhne wollen die DGBler vehement kämpfen. Von Diaspora ist beim DGB in Trier heute keine Rede mehr. "Wir haben uns prächtig entwickelt und liegen bei den Mitgliedern im Mittelfeld", sagt Päulgen.

Und noch wichtiger ist ihm: "Wir sind gesellschaftlich voll akzeptiert und man hört unsere Stimme." Extra 1949: Gründungskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Vorsitzender wird Hans Böckler. 1951: Nach Böcklers Tod tritt Christian Fette vorübergehend an die DGB-Spitze. Die paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie wird durchgesetzt. 1952: Beim 2. DGB-Bundeskongress wird IG-Matell-Chef Walter Freitag zum Vorsitzenden gewählt. Das Betriebsverfassungsgesetz stärkt die Arbeitnehmer: Sie können in Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten Betriebsräte wählen. 1955: Der DGB fordert die 5-Tage-Woche mit 40 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Slogan: "Samstags gehört Vati mir". 1960: Der Einstieg in die 40-Stunden-Woche ist geschafft, die IG Metall vereinbart mit den Arbeitgebern einen Stufenplan. 1996: Ein außerordentlicher Bundeskongress beschließt ein neues Grundsatzprogramm für eine "sozial regulierte Marktwirtschaft". 2002: Das Bündnis für Arbeit von Bundesregierung, DGB und Arbeitgebern scheitert. 2004: Eine halbe Million Menschen demonstrieren gegen Sozialabbau und die "Agenda 2010"-Reformen von Rot-Grün. 2009: Der DGB wird 60.

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