Erste Krankenkassen in Not

Durch die Finanznot des Gesundheitsfonds drohen die ersten gesetzlichen Krankenkassen pleitezugehen. Der Versicherungsschutz für die Kassenmitglieder bleibe in einem solchen Fall aber erhalten, hieß es gestern beim Spitzenverband der Krankenkassen.

Berlin. Dem Bundesversicherungsamt in Bonn liegen bereits Anträge von zwei Betriebskrankenkassen vor, in denen auf eine mögliche Insolvenz oder Überschuldung hingewiesen wird.

Seit Jahresbeginn sind die Kassen dazu verpflichtet, sich abzeichnende Finanzierungsprobleme "unverzüglich" der Aufsichtsbehörde zu melden. Für bundesweit tätige Kassen ist das Bundesversicherungsamt zuständig. Dort wurde gestern ein laufendes Prüfverfahren bestätigt. "Im Moment sehen wir aber keine Veranlassung, einen Insolvenzantrag zu stellen", sagte ein Sprecher der Behörde. Konkret handelt es sich um die BKK für Heilberufe mit rund 170 000 Mitgliedern und die BKK City mit etwa 200 000 Versicherten. Auslöser des Problems sei die Unterfinanzierung des Gesundheitsfonds, sagte ein Sprecher der BKK für Heilberufe. Nach Berechnungen des Schätzerkreises fehlen dem zentralen Geldtopf, aus dem die Kassen entsprechend ihrer Versichertenstruktur die Zuweisungen erhalten, im laufenden Jahr rund vier Milliarden Euro. Im Ergebnis müsse man Zusatzbeiträge verlangen, was einen "Teufelskreis" heraufbeschwöre, meinte der Sprecher.

Tatsächlich verlangt die BKK für Heilberufe seit Januar den gesetzlich maximal möglichen Zusatzbeitrag von einem Prozent des beitragspflichtigen Einkommens. Das sind bis zu 37,50 Euro im Monat. Der Kasse haben deshalb bereits 50 000 Mitglieder gekündigt, was die Finanzlage zusätzlich verschärft. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur dpa wechselten inzwischen mindestens 400 000 Bundesbürger wegen der Zusatzbeiträge ihre Kasse. Ob auch die BKK City davon betroffen ist, steht noch nicht fest. Sie erhebt erst seit dem 1. April ein Zusatzbeitrag von acht Euro. Schon vor der Einführung des Gesundheitsfonds zählte die BKK City aber zu den teuersten Kassen in Deutschland. Ihr Beitragssatz lag zuletzt bei 16,5 Prozent. Gegenwärtig sind für alle Kassen einheitlich 14,9 Prozent fällig.

Zweifellos ist eine Marktbereinigung im Kassensektor politisch erwünscht. "Wenn eine Kasse schon vor der Einführung des Gesundheitsfonds deutlich über dem durchschnittlichen Beitragssatz lag, dann wird sie wohl auch jetzt in Schwierigkeiten kommen", sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner unserer Zeitung. Richtig kritisch werde es aber im nächsten Jahr. Durch das dann zu erwartende Gesamtdefizit von bis 15 Milliarden Euro könnten auch Kassen in Turbulenzen geraten, die vernünftig wirtschafteten. "Dafür ist dann der mangelnde Regierungswille verantwortlich, die Ausgaben wirksam zu begrenzen", meinte Ferner. Der Gesundheitsexperte der Partei, Karl Lauterbach, rechnet gar mit einer Erhöhung des allgemeinen Beitragsatzes schon "nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen". Ansonsten würden zu viele Kassen auf einen Schlag in Not geraten, so Lauterbach. In Kassenkreisen wird gemunkelt, dass die GBK Köln mit 40 000 Versicherten der nächste Pleite-Kandidat sein könnte. Auch diese Kasse verlangt seit Jahresbeginn den höchst möglichen Zusatzbeitrag von einem Prozent.

Bei einer drohenden Insolvenz gibt es drei Möglichkeiten: Entweder die in Not geratene Kasse saniert sich zulasten der Kassen der gleichen Art (z.B. Betriebskrankenkassen), oder sie fusioniert mit einer anderen Kasse. Schlägt beides fehl, müsste die Aufsichtsbehörde die Kasse schließen. Die Versicherten müssten sich dann eine neue Kasse suchen. Auch für diesen Fall sei aber sichergestellt, dass die Rechnungen für medizinische Leistungen bezahlt würden, sagte ein Sprecher des Spitzenverbandes der Krankenkassen unserer Zeitung.

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