"Es besteht kein Zwang, Biosprit zu tanken"

Berlin · Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) beharrt auf der Einführung des Biosprits E 10. Für das entstandene Chaos an den Tankstellen und den Kaufboykott der Autofahrer sei nicht die Politik verantwortlich, so Röttgen im Gespräch mit unserer Zeitung.

(has) Beim Benzin-Gipfel am morgigen Dienstag geht es laut Bundesumweltminister Norbert Röttgen darum, "die Verunsicherung beim Verbraucher gemeinsam abzubauen". Mit Röttgen sprach unser Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Minister, die Autofahrer boykottieren den Biosprit E 10. Und jetzt sagen Experten auch noch, der neue Sprit könnte die Motoren schädigen. Was entgegnen Sie?

Röttgen: Die Hersteller haben diese Meldung inzwischen dementiert. Fast alle Autos vertragen das neue Benzin, und wir haben dafür gesorgt, dass die rund sieben Prozent ältere Modelle, die es nicht vertragen, unbefristet weiter das alte E 5 tanken können.

Das heißt, eine Rücknahme der Einführung kommt für Sie nicht in Frage?

Röttgen: Ich halte die Nutzung von Biokraftstoffen für die richtige Strategie. Auch im Sinne der deutschen Autofahrer, die umweltbewusst sind, langfristig stabile Benzinpreise wollen sowie gute Produkte für hochwertige, leistungsstarke Motoren. Es besteht ja auch kein Zwang, sondern die Möglichkeit, E 10 seit Anfang dieses Jahres an den Tankstellen anzubieten, und der Verbraucher kann entscheiden, ob er von dem Angebot Gebrauch macht.

Das Chaos ist allerdings perfekt. Warum musste E 10 überhaupt auf den Markt gebracht werden?

Röttgen: Die Einführung von Biokraftstoffen generell dient dazu, unsere Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Die Ereignisse in Libyen und die gestiegenen Ölpreise zeigen doch gerade jetzt, wie wichtig das ist. Darüber gab es einen Konsens über die Parteigrenzen hinweg. Die Bundesregierung hat deshalb mit Zustimmung der rot-grünen Opposition und aller Bundesländer die Einführung von E 10 ermöglicht. Andere Länder sind übrigens längst viel weiter als wir: In den USA wird jetzt E 15 eingeführt, in Schweden gibt es bereits E 85.

Wer trägt denn die Verantwortung dafür, dass die Etablierung von E 10 bislang gescheitert ist?

Röttgen: Die Politik hat die Industrie lediglich zur Einhaltung einer bestimmten Biokraftstoffquote verpflichtet, die zwar gestiegen, aber nicht neu ist und bislang immer so gut wie erfüllt werden konnte. Ob sie über E 10 oder anders erfüllt wird, ist Sache der Mineralölindustrie. Sie selbst muss das Produkt, das sie auf den Markt bringt, entsprechend bewerben und für den Absatz sorgen. Die Politik stellt sicher, dass die Produktion der Biokraftstoffe nachhaltig ist und nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion gerät. Über diese Aufgabenteilung werden wir uns beim Gipfel am Dienstag unterhalten. Ziel muss sein, die Verunsicherung beim Verbraucher gemeinsam abzubauen.Extra Die E 10-Einführung: Am 26. November 2010 machte der Bundesrat den Weg frei für die Einführung des neuen Biosprits, dem zehn statt bisher fünf Prozent Ethanol beigemischt werden. Doch viele Bürger wussten nicht, dass E 10 die neue Hauptsorte beim Super wird und oft nur noch das teurere Super Plus mit fünf Prozent Ethanol und 98 Oktan als Nischensorte für Autos vorgehalten wird, die kein E 10 vertragen. Das weitgehende Aus für das alte Super brachte der Benzinbranche viel Kritik ein. Nun schieben sich alle Beteiligten den Schwarzen Peter für ein Kommunikationsdesaster zu. Seit November wurden 8,5 Millionen Broschüren zum Thema verteilt. Aus der Benzinbranche wird aber kritisiert, dass Formulierungen wie: "Fahrzeuge, die E 10 nicht vertragen, können bereits durch einmaliges Betanken mit E 10 dauerhaft geschädigt werden", die Verbraucher unnötig verunsichert hätten. Laut Umweltministerium gibt es im Internet auf den Seiten der Deutschen Automobil-Treuhand eine Liste mit allen Autos, die E10 tanken können. Auch liegen in Tankstellen Listen aus, welche Autos E 10 vertragen.

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