"Es mangelt der griechischen Regierung an Willen und Können"

Brüssel · Bereits vor knapp einem Jahr stand Griechenland kurz vor der Staatspleite. Nun droht wieder Ungemach. Im Juli muss das Land fast 3,7 Milliarden Euro an den IWF, die Europäische Zentralbank und andere Gläubiger zurückzahlen. Geld, das Athen derzeit nicht hat. Für weitere Kredite sollen neue Sparauflagen erfüllt werden. Heute beraten die Euro-Finanzminister in Brüssel.

Brüssel. Ist Hellas noch zu retten? Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.Herr Fratzscher, steuert Griechenland auf ein neues Drama zu?Marcel Fratzscher: Das ist nicht auszuschließen. Griechenland ist nach wie vor in einer prekären Lage. Es muss Reformen umsetzen im Gegenzug für finanzielle Unterstützung. So ist es auch im nunmehr dritten Hilfsprogramm verabredet. Aber die Regierung in Athen tut sich damit sehr schwer. Es mangelt an Willen, aber auch an Können. Athen sucht deshalb einen Keil zwischen die Geldgeber zu treiben, um Konzessionen zu erzwingen.Aber macht es wirklich Sinn, wenn Griechenland im Rahmen der Sparauflagen abermals Steuern erhöhen und Renten senken muss? Damit kann doch keine Wirtschaft auf die Beine kommen.Fratzscher: Es geht nicht um Steuererhöhungen per se. Das wäre sicher kontraproduktiv. Vielmehr geht es darum, dass insbesondere vermögende Griechen, die bisher unfaire Vorteile hatten und häufig überhaupt keine Einkommensteuer gezahlt haben, ebenfalls ihren Beitrag leisten. Was die Renten angeht, so muss man sagen, dass Griechenland nach wie vor über seine Verhältnisse lebt. Für die Renten gibt Athen fast doppelt so viel gemessen an der Wirtschaftsleistung aus wie Deutschland. Das kann nicht gutgehen.Ist es nicht ein Teufelskreis, wenn so mühsam erwirtschaftetes Geld gleich wieder an Gläubiger zurückwandert?Fratzscher: Es ist ein Irrglaube, dass Griechenland viele Schulden zurückzahlt. Es gibt ein Moratorium, das eine Rückzahlung für einen großen Teil der Schulden bis zum Jahr 2023 stundet. Bei der im Juli anstehenden Rückzahlung handelt es sich um auslaufende Tranchen vornehmlich der Europäischen Zentralbank. Aber mit dem Abtragen des griechischen Schuldenbergs hat das praktisch nichts zu tun.Gibt es überhaupt eine nachhaltige Lösung für die griechische Tragödie?Fratzscher: Ich plädiere dafür, die griechische Schuldenrückzahlung an das griechische Wachstum zu koppeln. Wenn das Wachstum zulegt, zahlt Athen mehr, wenn es fällt, weniger.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort