Es muss nicht gleich die Hepburn sein

Düsseldorf · Viele Briefmarkensammler setzen auf Massenware. Abseits der Boom-Phasen behalten jedoch nur seltene Stücke ihren Wert.

Düsseldorf. Der 41-jährige Sparkassenbetriebswirt aus Düsseldorf ist müde. Zwei Nächte hat er sich um die Ohren geschlagen, um die vielen Briefmarken, die er von seinem Großvater geerbt hat, zu sichten. Doch die Mühe sollte sich gelohnt haben. Denn der Abgleich Tausender Marken mit den Wertangaben im Michel-Katalog, der Philatelisten-Bibel schlechthin, summieren sich auf gut 15 000 Euro. Also mal hören, was der Briefmarkenhändler in Düsseldorf dazu meint. Doch der stellt dem Nachtarbeiter höchstens 1500 Euro in Aussicht.
So wie dem Sparkassen-Banker geht es vielen, die eine 08/15-Briefmarkensammlung erben und den Katalogwert Tausender Marken einfach aufsummieren. Das Problem: Standardware ist als Kapitalanlage unbrauchbar. So seien nur etwa 15 Prozent von etwa 4000 deutschen Marken überhaupt anlagetauglich, schätzt Gerd Bennewirtz, Chef der Vermögensverwaltung SJB aus Korschenbroich. Als Faustregel gilt: Je höherwertig, seltener, nachgefragter und besser erhalten die Stücke sind, umso interessierter die Händler.
Doch auch Briefmarken sind keine spekulationsfreie Zone. Selbst bei hohen Auflagen kommt es manchmal zu einem Run auf einzelne Sammelgebiete oder Marken. Künstlich angeheizte Spekulationen sollten aber besser zum Verkauf genutzt werden, denn sie haben meist nur eine kurze Halbwertzeit.
Wie man wertvolle Sammlungen schafft, zeigte US-Rentenfondsmanager Bill Gross. Der Anleihe-König ersteigerte 2005 vier "Inverted Jenny"-Marken aus dem Jahr 1918. Ein berühmter Fehldruck, der ihm rund drei Millionen Dollar wert war. Abgesehen hatte es Gross aber eigentlich auf eine blaue 1-Cent-Marke aus dem Jahr 1868 mit dem Antlitz von Benjamin Franklin (Z Grill, siehe Grafik). Sie ist die seltenste US-Briefmarke. Nur zwei Exemplare existieren von ihr. Gross sicherte sich eine im Tausch gegen die zuvor ersteigerten "Inverted Jenny".
Wertmäßig ein paar Stufen darunter, aber ähnlich spektakulär, trat auch Vermögensverwalter Bennewirtz in Erscheinung. Er ersteigerte für 135 000 Euro eine der verbotenen Hepburn-Marken. 2001 ließ die Deutsche Post 14 Millionen Sondermarken drucken, die Audrey Hepburn im Hollywood-Film "Frühstück bei Tiffany" zeigen. Nur hatte die Post es versäumt, die Bildrechte bei den Hepburn-Erben einzuholen. Die Auflage wurde vernichtet - bis auf wenige Bögen. Solche Besonderheiten haben ihren Preis, bieten dafür aber über Jahrzehnte Wertsteigerungspotenzial.
Blick in die Zukunft


Die Masse bewegt sich weg von der Briefmarke. Immer weniger Briefe werden verschickt. Gut so, mit Blick auf die Zukunft: Nur was selten ist, wird von Sammlern begehrt und bietet Chancen auf Wertsteigerung. Vielleicht sollte man heute für wenig Geld einfach mitnehmen, was an neuen Marken rauskommt. Verlieren kann man nicht viel. Und eins ist klar: Irgendeine Marke von heute wird die Mauritius von morgen sein.
Der Autor arbeitet als Experte für die Wirtschaftszeitung Handelsblatt.

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