EU-Kommission lässt VW-Chef Müller abtropfen

Brüssel · Automanager wendet sich vergeblich direkt an Juncker.

Brüssel Der VW-Konzern ist in Brüssel ja nicht schlecht aufgestellt. Schätzungen zufolge lässt sich VW sein Lobbying bei der EU rund drei Millionen Euro im Jahr kosten. Mehr als ein Dutzend VW-Mitarbeiter pflegen professionell die Kontakte zur EU-Kommission und ins Parlament, begleiten Gesetzgebungsvorhaben oder den Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Dieselskandals. Ihr Büro liegt einen Steinwurf weit von der Kommission entfernt im Europaviertel. Gelegentlich, so hört man in Brüssel, verlässt sich Volkswagen-Chef Matthias Müller nicht auf seine Lobby-Truppe vor Ort. Dann greift er selbst zum Stift und schreibt.
Die Briefe sind in Brüssel berüchtigt, weil es, vorsichtig formuliert, dem Konzernlenker am nötigen Fingerspitzengefühl gebricht. Vielleicht ist es auch typisch deutsch. Jedenfalls bringt er regelmäßig seine Botschaft unumwunden herüber. Sie lautet in etwa so: "Wir (der VW-Konzern) sind das wichtigste Unternehmen in ganz Europa, rückt uns ja nicht auf die Pelle!" Jetzt war es wieder einmal so weit. Im März trudelte bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Schreiben von Müller ein. Und weil sich Juncker darüber maßlos geärgert haben muss und Müller eine kleine Lektion in Sachen Lobbyarbeit erteilen wollte, landeten der Müller-Brief sowie das Antwortschreiben der Kommission bei der Presse.
Es geht um das Thema, das VW am meisten zusetzt: Die Diesel-Affäre, bei der allein in Europa 8,5 Millionen Verbraucher durch den Einsatz von Schummelsoftware getäuscht wurden. EU-Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova fordert seit langem ein Signal des Konzerns gegenüber den Geschädigten in der EU. Sie verlangt zwar nicht einmal direkt, dass VW die Kunden in der EU finanziell entschädigt wie in den USA. Sie dringt aber darauf, dass VW sich irgendwie erkenntlich zeigt. Und sei es, indem der Konzern freiwillig die Garantie verlängert. Selbst diese handzahme Forderung aus Brüssel ist Müller aber ein Dorn im Auge. Die Tageszeitung Die Welt zitierte als erste aus dem Müller-Brief an Juncker. "Nach unserer Auffassung liegt die Durchsetzung europäischer Verbraucherschutzrechte nicht in der Kompetenz der EU-Kommission," habe da gestanden. Müller, so war zu lesen, mahnt, bitte die Finger von weiteren Aktivitäten zu lassen, die VW verärgern könnten.
In Brüssel wurde das so verstanden, dass Müller die Kommissarin aus Tschechien bei ihrem Chef Juncker anschwärzen wollte. Dieser Versuch schlug gehörig fehl. Laut einer Kommissionssprecherin stützt Juncker mit seinem Antwortschreiben die Arbeit der Kommissare und bestätigt die Haltung der Kommission: "Es ist in jedermanns Interesse, das Vertrauen der Verbraucher wieder herzustellen." Und weiter: "Die Kommission wird weiterhin die Verbraucherschutzorganisationen unterstützen und den Austausch mit VW verfolgen, um dies zu erreichen." Im Übrigen soll Juncker Müller ermuntert haben, in der Sache Kontakt zu Jourova zu halten. Mit anderen Worten: Juncker verbittet sich weitere Briefe.

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