EU streitet um Notfall-Hilfe

Brüssel/Trier · Zwischen den EU-Ländern gibt es ein Tauziehen um das historisch einmalige Hilfsangebot für Schuldensünder Griechenland. Der Trierer FH-Professor Jörg Henzler, Volkswirtschaftslehre und Finanzmärkte, sieht die Politik in einem Dilemma und warnt: "Eine plotische Lösung kann das Problem nicht beseitigen."

(dpa/hw) Nach einem Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend gingen am Dienstag die Interpretationen darüber, was konkret vereinbart wurde, deutlich auseinander. Einig sind sich die Euro-Partner darin, dass Athen im Notfall auf sie zählen kann. Doch wie die Hilfe konkret aussehen könnte, ist noch offen. Sowohl bilaterale Kredite, die von Euro-Ländern eingeräumt werden, als auch Garantien sind möglich. In der gemeinsamen Erklärung der Minister fehlen Angaben, auf welche Weise Griechenland geholfen werden könnte. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, sagte, die Euro-Partner seien sich einig, im Notfall bilaterale Hilfen für den Schuldensünder zu geben.

Das sieht die Bundesregierung anders: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) - der ebenfalls an dem Treffen teilnahm - sagte am Dienstag in Berlin bei den Haushaltsberatungen, man habe keinen Notfallplan für Griechenland beschlossen. Das Hilfsangebot an Athen ist in der gut zehnjährigen Geschichte des gemeinsamen Euro-Währungsgebietes beispiellos. Den Euro gibt es seit 1999. Griechenland hat mehr als 300 Milliarden Euro Schulden und gilt als Wackelkandidat des Währungsgebietes. Neben Krediten sind nach Angaben des österreichischen Ressortchefs Josef Pröll auch Garantien möglich. "Für beides gibt es Modalitäten, Beschluss-Szenarien in der Union", sagte er. Er ziehe persönlich Haftungsregelungen vor. Juncker hatte hingegen am Montagabend Darlehensgarantien für das Mittelmeerland noch ausgeschlossen.

Der Trierer FH Professor Jörg Henzler sieht die Politik "in einem großen Dilemma". "Ein politische Lösung, wie sie nun angedacht wird, kann das grundsätzliche Problem nicht lösen", meint der Finanzmarkt-Experte. Die Situation Griechenlands sei kein isoliertes Problem für den EU-Mitgliedstaat, sondern vielmehr das bisher größte Desaster für den Euro. Henzler sieht damit sogar die gemeinsame Währung in Gefahr: "Der Euro wird durch diese fiskalischen Probleme, die übrigens in anderen Ländern der Euro-Zone, wie etwa Portugal, Spanien, Irland und auch Italien, anzutreffen sind, systematisch geschwächt und droht weiter abzuwerten. Was ist zu tun?" Henzler sieht drei mögliche Optionen.

Erstens: Griechenland fährt über Jahre seine Staatsausgaben drastisch zurück und/oder erhöht die Steuern.

Zweitens: Die starken Euro-Länder helfen den schwachen Defizitstaaten mit Krediten oder direkten Geldtransfers. Dies ist auf Grund des Stabilitätspaktes zwar verboten, könnte aber durch den vorgeschlagenen Europäischen Währungsfonds umgangen werden.

Drittens: Griechenland tritt aus der Euro-Zone aus und führt wieder die Drachme als Währung ein. Dies würde zu einer massiven Abwertung führen und so die Wettbewerbsfähigkeit der Griechen verbessern. Für den Trierer Experten deutet alles darauf hin, dass die dritte Variante nicht eingeschlagen wird. "Das wäre faktisch das Ende des Euro und hätte weitere Verwerfungen in der Währungszone zur Folge", sagt er im Gespräch mit dem TV. So läuft nach seiner Meinung alles auf eine politischen Lösung hinaus: "Die starken EU-Staaten werden Griechenland unterstützen, aber darauf achten, dass es die eigenen Bürger nicht über Gebühr belastet." Zudem müsse Griechenland einen strikten Sparwillen umsetzen.

"Ob dies alles bei den Bürgern so durchzustetzen ist, muss sich zeigen", sagt Henzler. Nach Ansicht des Experten steht der Euro vor einer ernsten Bewährungsprobe.

Den vollständigen Gastbeitrag von Professor Jörg Henzler lesen sie auf:

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