Verbraucher Urteil: Fast alle Autokredite rechtswidrig

Trier/Luxemburg · Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ermöglicht Verbrauchern, Darlehen ohne finanzielle Verluste zu kündigen. Ein Trierer Anwalt sagt, das das bedeutet.

 Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat die Rechte von Verbrauchern, die ein Auto über Kreditfinanzierung gekauft haben, gestärkt.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat die Rechte von Verbrauchern, die ein Auto über Kreditfinanzierung gekauft haben, gestärkt.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der Trierer Rechtsanwalt Christof Lehnen spricht von einem Hammer. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg habe ein bahnbrechendes Urteil gefällt, sagte Lehnen unserer Redaktion. Die Luxemburger Richter haben am heutigen Donnerstag entschieden, dass deutsche Autokredite, die beim Autokauf etwa über Banken der Hersteller abgeschlossen sind, rechtswidrig sind (Aktenzeichen: C-33/20, C-155/20, C-187/20).

Grund: Die in den meisten Verträgen gewählten Formulierungen seien fehlerhaft, auch würden die Kunden nicht explizit darauf hingewiesen, dass sie den Kreditvertrag bis zu zwei Wochen nach Anschluss kündigen könnten. Ebenso bemängelten die Richter, dass die Kreditgeber – in den meisten Fällen handelt es sich um Autobanken – nicht in verständlicher Form auf mögliche Verzugszinsen oder auf die Konditionen für eine vorzeitige Rückzahlung der Restschuld hinwiesen. Es müsse in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses   geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes angegeben werden. Wörtlich heißt es in dem Urteil: Die Darstellung der Berechnungsmethode der Verzugszinsen müsse „für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen“.  

 Was bedeutet das nun für die betroffenen Autofahrer? „Wenn eine Bank Kreditverträge vergibt, muss sie ihre Kunden klar und verständlich belehren. Tut sie das nicht, kann der Kreditvertrag jederzeit, auch viele Jahre nach Vertragsschluss, widerrufen werden“, erklärt Lehnen. Er hat mit seiner Kanzlei bereits vor vier Jahren ein entsprechendes Urteil gegen die Volkswagen Bank erstritten.

Nach dem EUGH-Urteil könnten alle, die nach dem 10. Juni 2010 ihr Auto über ein Darlehen bei einer Autobank finanziert hätten, den noch laufenden Kreditvertrag nun kündigen, ohne die Restschuld zu tilgen. Das Auto müssten sie dann zurückgeben. Interessant sei das vor allem für Besitzer von Diesel-Autos, die von dem Abgasskandal betroffen sind. Lehnen geht davon aus, dass jeder zweite Autokredit davon betroffen ist. Und nicht nur diese. „Die vom EuGH gerügten Fehler finden sich in allen Verbraucherkreditverträgen aller in Deutschland tätigen Banken seit 2010. Es ist kaum ein Kreditvertrag denkbar, der nicht widerrufbar ist.“ Also könnte etwa auch der Kreditvertrag für den Kauf einer Küche unter das Urteil der Luxemburger Richter fallen.

Lehnen rät vor der Kündigung des entsprechenden Kreditvertrags auf jeden Fall einen Anwalt zu Rate zu ziehen. „Da die Verträge der Autobanken größtenteils den gleichen Inhalt haben, ist davon auszugehen, dass die Verträge nahezu aller Autobanken an den gleichen rechtlichen Fehlern leiden“, sagte der Anwalt.

Von Seiten der VW Bank hieß es, man prüfe die Auswirkungen. „Wir erwarten aber nicht, dass zahlreiche Kunden den Widerruf erklären werden“, sagte ein Sprecher der Deutschen Presseagentur. Weil Kunden im Falle des Widerrufs für den Wertverlust eines Fahrzeuges aufkommen müssten, biete der Widerruf keinen wirtschaftlichen Vorteil. Christoph Herrmann von der Stiftung Warentest sagte dagegen, dass die Betroffenen die Umsatzsteuer und Händlermarge  vollständig zurückerhalten würden. 

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