Finanzmarktkrise und Wachstum

Alfred Steinherr fürchtet wegen der Finanzmarktkrise starke Einbußen beim deutschen Export. Steinherr ist Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und Chefökonom der Europäischen Investitionsbank Luxemburg. Der 64-jährige Wissenschaftler sieht wegen der amerikanischen Finanzmarktkrise deutliche Folgen für das Wachstum in Deutschland, wie er unserem Korrespondenten Werner Kolhoff erläuterte.

Berlin/Luxemburg. TV: Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, fordert angesichts der dramatischen Finanzmarktkrise ein Eingreifen der Regierungen. Was halten Sie davon? Alfred Steinherr: In Europa ist das - anders als in den USA - bisher noch nicht notwendig. Allerdings wird die EZB reagieren müssen. Eine Zinssenkung ist unausweichlich. Die Federal Reserve wirft dem schlechten Geld von Banken, die sich verspekuliert haben, nun weiteres gutes Geld hinterher. Ist das richtig? Steinherr: Das Bankensystem ist die Schaltzentrale der Ökonomie. Natürlich könnte man Banken in Konkurs gehen lassen. Aber der Vertrauensverlust der Märkte wäre dann enorm, die Folgen wären unabsehbar. Aber das billige Geld in den USA hat die Probleme doch erst verursacht, indem es zu leichtfertiger Kreditvergabe verführte.Steinherr: Wenn man vor einem brennenden Haus steht, muss man erst einmal löschen. Natürlich entsteht durch die jetzige Reaktion ein langfristiges Problem. Jetzt aber geht es um kurzfristige Lösungen.Wird die Finanzmarktkrise noch mehr Banken in Deutschland erreichen? Steinherr: Ja, aber nicht dramatisch. Denn die großen Privatbanken hierzulande haben sich in den Problemmärkten nicht in diesem Maß engagiert. Bei uns ist die Krise bisher auf die Landesbanken und einige kleinere Banken beschränkt. Sind die USA bereits in einer Rezession? Steinherr: Es spielt letztlich keine Rolle, ob eine Wirtschaft noch knapp im Plus ist oder knapp darunter. Fakt ist, dass die amerikanische Konjunktur stark nach unten gegangen ist. In diesem und im nächsten Jahr wird sie dahindümpeln. Wird darunter der deutsche Export leiden und damit auch unser Wachstum? Steinherr: Auf jeden Fall. Ich kann nicht verstehen, dass es immer noch Leute gibt, die einen Dollarkurs von 1,55 für unschädlich halten. Die Amerikaner sind unsere Konkurrenten auf allen internationalen Märkten. Ihre Position hat sich durch die aktuelle Euro-Dollar-Relation stark verbessert. Auch gegenüber China und anderen asiatischen Ländern haben wir in den letzten Monaten Wettbewerbsnachteile angesammelt. Das ist für die deutschen Exporteure zunehmend ein Problem. Mit welchen Folgen? Steinherr: Immer mehr Investitionen werden außerhalb des Euro-Raums getätigt. Paradebeispiel ist EADS, die in den USA produzieren wollen, oder auch BMW. Kann denn die Binnennachfrage die hiesige Konjunktur stützen? Steinherr: Darauf setzt die Bundesregierung. Wir warten schon lange darauf, dass der Konsum anspringt. Bisher vergeblich. Steinherr: Und bei der gegenwärtigen Lage wird das so schnell auch nicht geschehen. Dann sind die bisherigen Wachstumsprognosen für dieses Jahr, 1,7 Prozent, wohl Makulatur? Steinherr: Das ist wahrscheinlich. Der hohe Euro-Kurs und die wirtschaftliche Schwäche der USA werden nicht ohne Folgen bleiben. Ich nehme an, dass wir 2008 bei einem Wachstum von 1,5 Prozent landen werden.

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