Finanzplatz in Gefahr

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wird für seinen Vorschlag, die Börsenumsatzsteuer wiedereinzuführen, von Experten heftig kritisiert.

Berlin. Überwiegend mit Kritik haben Wirtschaftsforscher den Vorschlag von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) aufgenommen, in das Wahlprogramm der Sozialdemokraten die Forderung nach einer Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer aufzunehmen. Sie sehen den Finanzplatz Deutschland in Gefahr und halten die jetzige Krise für den falschen Zeitpunkt für eine solche Maßnahme.

Der Vorsitzende des Rats der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, selbst ein Sozialdemokrat, sagte unserer Zeitung, "einen schlechteren Zeitpunkt für die Einführung einer solchen Steuer als die jetzige Krise gibt es nicht". Denn mit einer solchen Abgabe würden Börsentransaktionen erschwert und damit Investitionen und Finanzierungsmöglichkeiten belastet. "Hinzukommt, dass je nach Ausgestaltung Börsenumsätze ins Ausland abwandern." Zwar ließen sich für eine sehr niedrige Börsenumsatzsteuer durchaus Argumente finden, doch könne er "vor Schnellschüssen nur warnen".

Noch ist völlig unklar, wie die SPD die Steuer gestalten will. Voraussichtlich steht sie zunächst nur als Stichwort im Wahlprogramm, ohne Details. 1991 war die Steuer in Deutschland von der Regierung Kohl abgeschafft worden, um den Aktienhandel attraktiver und konkurrenzfähiger zu machen. Mit Ausnahme Großbritanniens haben sie auch die meisten europäischen Länder nicht mehr oder nur eingeschränkt. In Großbritannien wird die Steuer nur für inländische Transaktionen erhoben. In SPD-Kreisen hieß es, man erwarte ein Aufkommen im "einstelligen Milliarden-Bereich". Das lässt darauf schließen, dass Steinbrück entweder eine Begrenzung auf den Inlandshandel oder aber einen sehr niedrigen Satz will.

Bisher hatte nur die Linkspartei eine solche Steuer gefordert und entsprechende Anträge 2007 eingebracht, die jedoch abgelehnt wurden. Sie wollte 1,0 Prozent auf alle Umsätze erheben und rechnete mit einem Aufkommen von über 30 Milliarden Euro. Allerdings gab es für die Idee immer Sympathien bei Gewerkschaften und SPD-Linken. Der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sagte, die Gründe, die es 1991 für die Abschaffung der Steuer gegeben habe, seien noch immer gültig. "Damals wie heute geht es darum, den Aktienhandel in Deutschland nicht zu erschweren und international konkurrenzfähig zu halten."

Die Koordinatorin für Finanzmarktfragen beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Dorothea Schäfer, meinte, Steinbrücks Vorschlag verfehle in jeder Hinsicht seine Ziele. "Wenn es um die Eindämmung von Börsenspekulation geht, dann macht nur eine europäische Lösung Sinn. Wenn es aber nur um Steuereinnahmen geht, dann ist dies der falscheste Zeitpunkt." Denn derzeit fehle es an der Bereitschaft, in die Märkte zu investieren. Man könne über eine solche Steuer nachdenken, wenn es der Wirtschaft wieder besser gehe.

"Es ist immer der falsche Zeitpunkt", konterte der Chef des Instituts für Makroökonomie, Gustav Horn. Eine Börsenumsatzsteuer könne die Spekulation begrenzen, weil der Anreiz, kleinste Differenzen durch hektische Käufe und Verkäufe auszunutzen, verringert werde. Zudem erhalte der Staat Einnahmen, die er dringend brauche, um Konjunktur und Finanzmärkte zu stabilisieren. Die Sätze sollten niedrig sein, dafür müsse die Steuer aber alle Umsätze an den deutschen Börsen erfassen.

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