Nicht wegwerfen, weiter tragen Gebrauchte Kleidung:                                    Früher muffig,                                             heute cool                                   und nachhaltig

Traben-Trarbach/Trier/Bitburg · Mode aus zweiter Hand ist in. Geht es um günstigere Preise oder gestiegenes Umweltbewusstsein? Wir haben mit einigen Inhabern von Secondhand-Geschäften in der Region gesprochen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/netrun78

In Traben-Trarbach steht die Tür bei Mokka Secondhand nicht still. Immer wieder betreten Kunden den Laden, stöbern an den Kleiderständern zwischen Blusen, Jacken und Pullovern. Im Geschäft von Uwe und Andrea Kaufmann finden Kunden seit 2008 Alltagsmode für Damen und Herren – zu äußerst günstigen Preisen.

Denn bei Mokka-Mode gibt es ausschließlich gebrauchte Textilien: Hosen, die die Käufer nur wenige Male getragen und dann aussortiert haben. Jacken, aus denen die Besitzer möglicherweise herausgewachsen sind. Blusen, die vielleicht nicht mehr dem aktuellen Trend entsprechen.

Auf 150 Quadratmetern Verkaufsfläche bieten Uwe und Andrea Kaufmann rund 7000 Artikel an. Das System ist einfach: Kunden möchten ihre gebrauchten Textilien loswerden. Die Kaufmanns schauen sich die Stücke an, prüfen ihren Zustand und nehmen sie, wenn sie ihnen verkäuflich erscheinen, in Kommission. „Oft sind es neuwertige und noch ungetragene Sachen, mit den Originaletiketten daran“, sagt Uwe Kaufmann. Eventuell bügeln sie diese noch einmal auf oder entfernen kleine Knötchen auf Fleece- oder Wollpullovern. Zwölf Wochen bleiben diese dann im Verkauf. Für die verkauften Sachen zahlen die Kaufmanns den Bringern eine Provision. Was nicht weggeht, geht wieder zurück. Manchmal wird auch die Frist, in der die Waren im Verkauf bleiben, verlängert.

Seit 2008 im Secondhand-Geschäft: Andrea und Uwe Kaufmann in ihrem Laden in Traben-Trarbach.

Seit 2008 im Secondhand-Geschäft: Andrea und Uwe Kaufmann in ihrem Laden in Traben-Trarbach.

Foto: TV/Christoph Strouvelle

Da lässt sich durchaus ein schönes Schnäppchen machen. Bis zu 70 Prozent zum Originalpreis können Kunden so sparen. Und trotzdem sei der Preis für viele nicht das primäre Kriterium, sagt Uwe Kaufmann. „Es gibt Individualisten, die nicht nach dem neusten Trend gekleidet sein wollen“, sagt er. „Oft finden sie bei uns Sachen, die es im regulären Handel nicht mehr gibt. Es kommen Kunden, die die Mode von vor zwei, drei Jahren suchen, weil sie sich darin wohlfühlen“, sagt er. „Wir füllen eine Sortimentslücke, ganz klar.“

Das Gros des Umsatzes geht über die Standardmode. Hinzu kommt eine Fundgrube mit relativ günstigen Stücken, ab einem Euro, möglicherweise mit kleinen Mängeln. Außerdem pflegen die Kaufmanns eine Premium-Ecke, in der die Sachen auch etwas mehr kosten können. So finden die Kunden bei Mokka in Traben-Trarbach schon mal Einzelstücke von Marken wie Gucci, Versace oder Michael Kors.

Der Zulauf bei Mokka-Moden in Traben-Trarbach und in anderen Läden, in denen gebrauchte Sachen angeboten werden, ist keine Eintagsfliege, sondern ein Trend – Secondhand einkaufen ist längst gesellschaftsfähig und sogar hipp geworden. Vorbei sind die Zeiten, in denen die ersten Händler die Schaufenster so zugebaut haben, dass die Kunden von der Straße aus nicht gesehen werden konnten, weil sie sich geniert haben, „Gebrauchtes“ zu tragen.

Heute ist das anders:  Secondhand-Mode hat einen Imagewandel hinter sich. Laut einer Studie der Umweltorganisation Greenpeace aus dem vergangenen Jahr sei das Bewusstsein der Deutschen für einen nachhaltigeren Umgang mit Mode seit 2015 spürbar gestiegen. Nachhaltigkeit sei bei der Kaufentscheidung erstmals wichtiger geworden als der Preis. Auch die Bereitschaft das eigene Verhalten zu ändern, sei durch alle Altersgruppen hinweg gestiegen. So seien heute schon zwei Drittel der Bevölkerung bereit, weniger neue Kleidung zu kaufen – und die überwiegende Mehrheit von 89 Prozent beabsichtige, vorhandene Kleidung länger zu tragen. 45 Prozent der Befragten der Greenpeace-Studie geben durch alle Altersstufen an, Kleidung auch gebraucht zu kaufen.

Dieser positive Trend korreliere deutlich mit dem wachsenden Angebot: Viele Online- und Offline-Plattformen kommen mittlerweile auch ausgefalleneren modischen Gebrauchtwünschen nach. „Vintage-Fashion hat den Muff von Wühltisch und Kleiderkammer längst verloren“, heißt es bei Greenpeace.

Insbesondere junge Frauen zwischen 18 und 29 trieben die positiven Entwicklungen auf dem Modemarkt an, klar gegenläufig zum Industrietrend, schreibt die Umweltorganisation. Deren Kleiderbestand habe sich schon um 20 Prozent verringert. Mehr als ein Drittel ergänze ihre Garderobe nachhaltig durch das Leihen von Textilien – aus dem Freundeskreis oder bei kommerziellen Anbietern.

Die neue Generation: Anni Güntepe betreibt seit mehr als drei Jahren sie ihr Secondhand-Geschäft in Trier.

Die neue Generation: Anni Güntepe betreibt seit mehr als drei Jahren sie ihr Secondhand-Geschäft in Trier.

Foto: TV/Birgit Markwitan

Besonders teure Designerstücke landen via Online-Plattformen bei vielen Marken-orientierten jungen Menschen. Und sogar Kaufhäuser und Modeanbieter von „Neuware“ richten Ecken für Secondhand-Mode in ihren Häusern ein und kommen auch stationär den Anforderungen der Kunden entgegen. Ganz diesem Trend folgend ist auch die Zahl der Secondhand-Läden in der Region gestiegen.

„Über die Jahre ist Secondhand-Kauf sozial anerkannt“, sagt Ute Sadri vom Trierer Unternehmen Second Hand Boutique Sadri in der Paulinstraße. Zu ihren Kunden gehörten auch Personen, die man gemeinhin der gut verdienenden Schicht zuordne, wie Ärzte und Akademiker. Auch Kunden aus Luxemburg, die als kaufkräftig gelten, suchten ihren Laden auf, sagt sie. Neben Bekleidung für Damen, Herren und Kinder finden Kunden dort auf 400 Quadratmetern auch Wohnaccessoires, Dekoartikel, Taschen, Bücher, DVDs, Tisch- und Bettwäsche und manchmal auch Kleinmöbel.

Angefangen hatte Sadri vor 37 Jahren auf einer Fläche von 30 Quadratmetern, Die sie mehrmals aufgrund der großen Nachfrage vergrößert hat. Seit 22 Jahren ist sie am aktuellen Standort. „Viele Kunden achten auf Nachhaltigkeit“, sagt sie. Die Käufer möchten zudem, Hochwertiges preiswert erhalten. Bis zu 70 Prozent Ersparnis gegenüber dem Originalpreis seien möglich. Bis zu 8000 Menschen bringen ihr Sachen, die dort ebenso wie bei Mokka in Traben-Trarbach, über einen begrenzten Zeitraum von zwei Monaten in Kommission genommen werden. Sie verschickt auch Waren per Paket.

Die aktuelle Krise wirke sich auf ihr Geschäft aus, glaubt sie. „Die Kunden müssen mehr aufs Geld schauen“, sagt Sadri, die zusammen mit Maria Backes und ihrem Laden Cinderelladen eine der Secondhand-Pionierinnen in Trier ist. Weil ihr Mietvertrag gekündigt worden ist, hat Maria Backes Ende 2022 ihren Laden nach rund 35 Jahren jetzt geschlossen (der Volksfreund berichtete).

Aber einige neue Läden sind in Trier dazu gekommen. Seit mehr als drei Jahren betreibt Anni Güntepe ihr Geschäft „Kinderkram – Family Secondhand & Conceptstore“ in Trier, in dem sie gebrauchte Kleidung für Kinder und Erwachsene anbietet. Gestartet ist sie zunächst in der etwas entfernt von der Innenstadt gelegenen Saarstraße. Vor einiger Zeit ist sie in die Konstantinstraße 19, unmittelbar an der Konstantinbasilika, umgezogen. Ausgerechnet in die Räume, in denen über viele Jahre das Damenmodehaus Allegra beheimatet war, eine der „teuersten“ Adressen der Stadt.

Die junge Geschäftsfrau lacht bei diesem Gedanken. Dass sie diesen Standort bezogen hat, sei bezeichnend für den stattfindenden Wandel. Secondhand-Läden wanderten von den Randlagen in die Zentren. „Unsere Kunden kaufen bei uns, weil sie es wollen und nicht, weil sie es müssen“, sagt sie. Secondhand zu shoppen sei grundsätzlich ökologischer, als Ware neu zu kaufen. Wer nur günstig einkaufen möchte, der greife auf Fastfashion zurück, ist sie überzeugt. Die Kundschaft sei gemischt. Darunter seien die werdenden Eltern oder die ältere Dame mit dem Enkelkind. Aber auch viele Erwachsene, die auch, wie sie weiß, Kunden der anspruchsvolleren inhabergeführten Trierer Bekleidungsgeschäfte seien. Für Anni Güntepe sind Nachhaltigkeit und Hochwertigkeit oberstes Gebot. „Wir bieten nur einwandfreie Ware an und prüfen sie nach dem Vier-Augen-Prinzip.“

Welchen Stellenwert Secondhand-Mode mittlerweile einnimmt und wie sie im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen ist, zeigt sich auch in Güntepes Kooperation mit dem Trierer Modehaus Hochstetter, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre: Die Geschäftsfrau hat im vergangenen Spätherbst in dem alteingesessenen Trierer Modehaus in der Simeonstraße für vier Wochen einen Pop-up-Store in einem Zwischengeschoss zur obersten Etage betrieben. So konnten die Hochstätter-Kundinnen auf dem Weg zu den „neuen“ Angeboten noch einen Abstecher zu ihren gebrauchten Stücken der zum Teil gleichen Marken machen. Ziel sei es gewesen, dass inhabergeführte Geschäfte zusammenarbeiteten und das Einkaufen dadurch noch angenehmer gestalteten, hieß es in einem Artikel des Volksfreunds dazu.

Und welche Erfahrungen hat Anni Güntepe bei dieser Premiere gemacht? „Ich würde es jederzeit wieder machen“, sagt die Unternehmerin. Im Austausch mit den Kundinnen habe sie viel gelernt und ganz neue Einblicke auch in die Arbeit eines Traditionsunternehmens bekommen.

Nicht nur Mode, auch andere Produkte werden stark als Secondhand-Ware nachgefragt, weiß Winfried Reis, Geschäftsführer des Kaufhauses Alibi (Arbeitsloseninitiative Bitburg e.V.) in Bitburg. Dort finden Kunden vorwiegend Möbel jeglicher Art. Aber auch Kleidung, Porzellan, Deko- und Elektroartikel wie Fernseher, Kühlschränke und Rasenmäher. „Die Leute kaufen eine neue Couch, die alte ist aber noch gut.“ Nur ein Beispiel, welche Möbel bei Alibi landen. Zudem würde ihnen vieles von verstorbenen Angehörigen angeboten oder von Leuten, die ihren Haushalt verkleinerten.

Reis lässt sich zuerst Bilder schicken, bevor er die Möbel abholt, manchmal auch bis Trier und nach Luxemburg. „Aufgrund der aktuellen Entwicklung wie der Energiepreise könnte die Nachfrage steigen“, sagt er. Die Kundenklientel ist bunt gemischt, beobachtet er. Die Bandbreite reiche vom Hartz-4-Empfänger über Migranten bis hin zum Geschäftsmann und anderen Kunden, „die Geld haben“.

Wichtige Abnehmer seien auch die Kommunen, die für Migranten Wohnungen einrichten. Im vergangenen Jahr seien besonders Möbel und Textilien nachgefragt gewesen, sagt er. Hinzu kämen junge Leute, die sich im Retro-Stil einkleiden möchten, wie Flanellhemden und weite Hosen im Stil der 1960er Jahre. „Wir helfen, dass  Waren wiederverwendet werden. Diese werden so dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt“, sagt Reis.

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