"Geld muss der Mandant verdienen"

BITBURG/TRIER/WITTLICH. "Wie konnte das denn bloß passieren?", hört man immer wieder, wenn ein Unternehmen den Insolvenzantrag stellt. Vor allem dann, wenn die betreffende Firma schon seit Jahren von einem Steuerberater betreut wird. Der sieht sich nicht selten heftiger Kritik ausgesetzt, denn die Erwartungshaltung an die Steuerberater ist sehr hoch – vielleicht zu hoch.

"Es kann nicht sein, dass Steuerberater jahrelang in der Bilanz Schulden ausweisen und dann den Satz dazu schreiben, dass sie darauf hingewiesen haben. Den Steuerberatern fehlt die insolvenzrechtliche Fachkenntnis." Mit diesen Worten kritisierte zuletzt der Trierer Insolvenzanwalt Thomas B. Schmidt die Branche (der TV berichtete). Die hält dagegen: "Wie es schon in unserer Berufsbezeichnung Steuerberater heißt, beraten wir in erster Linie. Wir zeigen unseren Mandanten, wo es hakt und geben Ratschläge. Im Extremfall raten wir auch zum Insolvenzantrag. Aber was sollen wir tun, wenn der Unternehmer den partout nicht stellen will?", sagt Christian Rech vom Steuerberaterverband Rheinland-Pfalz. "Ich weiß oft mehr als seine Frau"

Ein Problem sind für ihn größere Unternehmen, die ihre Buchhaltung selbst erledigen. "In einem solchen Fall sieht der Steuerberater erst beim Jahresabschluss, was los ist. Wenn er dann Anhaltspunkte für eine mögliche Insolvenz findet, muss er das unter den Abschluss schreiben - allein aus Haftungsgründen." Was der Unternehmer mit dieser Information macht, ist allein seine Sache. So kann es passieren, dass eine Firma sozusagen sehenden Auges in eine Pleite schlittert, obwohl frühzeitig die Alarmglocken geläutet haben. Dem Steuerberater sind in einem solchen Fall quasi die Hände gebunden, da er per Gesetz selbst keinen Insolvenzantrag stellen darf. "Und das ist gut so", sagt Christian Rech: "Der Mandant bringt mir ein großes Vertrauen entgegen. Ich weiß oft mehr als seine Ehefrau. Wenn ich nun über den Kopf des Mandanten hinweg einen Insolvenzantrag stellen würde, wäre das ein riesiger Vertrauensmissbrauch. Außerdem kann ich ja gar keine Garantie geben, dass die Firma wirklich gerettet werden kann. Wenn nicht, wird er mir möglicherweise ewig Vorwürfe machen." Aussichtsreicher scheint die Lage bei Kleinunternehmen, für die der Steuerberater die Buchhaltung erledigt. Hier werden schon im laufenden Geschäftsbetrieb Mängel erkannt und mit dem Geschäftsführer frühzeitig Lösungen besprochen. Aber auch das ist keine Garantie für bessere Zahlen und schützt schon lange nicht vor einer Pleite: "Solche Kleinbetriebe werden oft als Einzelunternehmung, als OHG oder als KG geführt, also als so genanntes Personenunternehmen. Für solche Betriebe ist die drohende Überschuldung laut Insolvenzordnung kein Grund für einen Insolvenzantrag, sondern die drohende Zahlungsunfähigkeit. So lange also ein solcher Unternehmer die laufenden Zahlungen noch leistet, kann er weitermachen." In diesen Fällen laute die Parole oftmals "die Hoffung stirbt zuletzt". Christian Rech: "Viele Unternehmer haben panische Angst davor, ihren Namen in der Rubrik ,Insolvenzen' in der Zeitung zu lesen. Sie schämen sich und fühlen sich gebrandmarkt. In einer solchen Situation werden nicht selten unnötig private Mittel in das Unternehmen gebuttert." Aber wie könnte man denn der Gefahr von Firmenpleiten entgegenwirken? "In den meisten Fällen liegt es am Geld, und hier haben kleinere Betriebe kaum Möglichkeiten, an Kapital zu kommen. Banken sind in der Regel der einzige Finanzier, und das geht auch nur so lange, wie es Sicherheiten gibt. Deshalb müssten zum Beispiel die Förderbanken des Bundes deutlich mehr und spezielle kurzfristige Programme für Krisenunternehmer zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sollten die Finanzbehörden endlich dafür sorgen, dass es für den Unternehmer wieder attraktiv wird, Eigenkapital aufzubauen. Zur Zeit ist es steuerlich günstiger, Schulden zu machen." Nicht ohne Grund nimmt Rech die Obrigkeit in die Pflicht: "Die größten Kosten einer Pleite trägt in der Regel der Staat. Das fängt bei fehlenden Renten und Sozialbeiträgen an und hört bei ausbleibenden Steuereinnahmen auf. Da müsste doch die Motivation da sein, solche Kosten zu reduzieren."

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