Grenzgänger unter der Lupe

Trier · Der Grenzgänger, das unbekannte Wesen? Mitnichten. Nun gibt es eine Studie zur beruflichen Mobilität der etwa 200 000 Pendler in der Großregion. Sie bringt neue Erkenntnisse in Bezug auf Bildungsstand und Alter, lässt aber auch viel Spielraum für Interpretationen.

Trier. Er ist männlich, jung, vollzeitbeschäftigt und überdurchschnittlich qualifiziert: der typische Grenzgänger in der Großregion von Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz und Wallonie. Und davon gibt es immerhin rund 200 000 bei 11,4 Millionen Einwohnern, die sich täglich über die Straßen und Schienen auf den Weg zur Arbeit über eine Staats- oder Bundeslandgrenze machen. Das sind europaweit gesehen die zweitgrößten Pendlerströme nach dem Arbeitsmarkt in der Schweiz.
Die statistischen Ämter der einzelnen Regionen haben nun - zusammen mit dem Institut Universitaire International Luxembourg (IUIL) - alle aktuellen Daten zu Alter, Geschlecht, Ausbildung und Herkunft der Berufstätigen zusammengetragen, "um Politik und Gesellschaft mit Kennzahlen zu begleiten, wie sich die Großregion in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat", erklärt Jörg Berres, Leiter des Statistischen Landesamtes Bad Ems bei der Vorstellung der Studie in der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Trier.
Unterschiedliches Wachstum


Dabei manifestiert sich das Bild aus vorhergehenden Studien: etwa, dass Luxemburg der Hauptanziehungspunkt für aktuell 153 000 Grenzgänger ist, oder dass die meisten Auspendler in der Großregion aus Lothringen stammen (rund 48 Prozent). Rheinland-Pfalz weist im Fünfjahresvergleich (2005 bis 2010) den höchsten prozentualen Zuwachs von Pendlern (plus 43 Prozent) auf, die Wallonie (plus 39 Prozent) den stärksten Zuwachs an Auspendlern.
Vom Austausch des dynamischen Arbeitsmarktes in der Großregion haben die Teilregionen wirtschaftlich unterschiedlich profitiert. Das Wachstum in Luxemburg erhöhte sich im Jahrzehntevergleich seit 2000 um 83 Prozent, während es im Saarland um 22 Prozent und in Rheinland-Pfalz nur um 18 Prozent anstieg. Ähnliche Unterschiede gibt es auch bei der Entwicklung der Erwerbstätigen und der Arbeitslosigkeit.
So hat Luxemburg seine Beschäftigtenquote um 36 Prozent gesteigert, während das Wachstum in Rheinland-Pfalz mit einem Beschäftigtenplus von sechs Prozent einhergeht. Bei der Arbeitslosigkeit etwa weisen die Grenzgebiete im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Kreis Trier-Saarburg die geringsten Quoten (3,3 und 3,5 Prozent) auf.
Schaut man aufs Einkommen in der Großregion, wird deutlich: In Luxemburg hatte im Jahr 2009 jeder - vom Baby bis zum Greis - mit rund 30 000 Euro im Jahr etwa doppelt so viel an Einkommen zur Verfügung wie die Wallonen in Belgien. Rheinland-Pfälzer konnten 18 600 Euro ausgeben. Tendenz: steigend. Denn allein in der Region Trier im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Kreis Trier-Saarburg legte das Einkommen von 2009 auf 2010 um mehr als 25 Prozent zu.
In der Grenzgänger-Studie hat Autorin Christiane Löh die verschiedenen Kennzahlen mit den ortsansässigen Arbeitnehmern verglichen. Neue Erkenntnis dabei: Es sind mehr Männer Grenzgänger als Frauen, die meisten Pendler sind zwischen 35 und 44 Jahre alt und haben einen Vollzeitjob.
Im Vergleich zu den ortsansässigen Arbeitskräften haben die meisten eine Meisterausbildung, einen Techniker-, Fachhochschul- oder Universitätsabschluss.
Einen kleinen Wermutstropfen liefert jedoch das statistische Datenmaterial. In manchen Bereichen ist es nicht aussagekräftig genug und kann spezielle Sondereffekte wie Teilzeitbeschäftigung und den Wunsch nach Ausweitung von Beschäftigung nicht in der Tiefe beleuchten. Immerhin bringt die Studie mehr Licht in das allgemeine Bild des Grenzgängers: Unter den Grenzgängern bilden die Wallonen und Saarländer einen Großteil der Führungskräfte, Ärzte, Architekten, Juristen und Wissenschaftler.
Bei den Technikern, Krankenschwestern und gleichrangigen Berufen haben die Deutschen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz die Nase vorn. Bürokräfte stellen vor allem Rheinland-Pfalz und Lothringen. Das Gros der Arbeiter, Verkäuferinnen, Handwerker und Dienstleistungskräfte kommt aus Lothringen.

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