Häuser reihenweise unter dem Hammer

KONZ. Bei der TWD-Kuag geht die Angst um. Das Unternehmen mit Stammsitz im bayrischen Deggendorf will in seinem Konzer Werk massiv Stellen abbauen. Der Hersteller von Textilfasern und Garnen steckt nach eigenen Angaben in der Krise.

 Kuag-Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit. Nur wenige stellen sich den Fragen, alle haben Angst um ihre Jobs. Wie viele Beschäftigte ihre Arbeit verlieren, ist noch nicht sicher.Foto: Joachim Johanny

Kuag-Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit. Nur wenige stellen sich den Fragen, alle haben Angst um ihre Jobs. Wie viele Beschäftigte ihre Arbeit verlieren, ist noch nicht sicher.Foto: Joachim Johanny

Die Sonne scheint über dem Kuag-Gelände in Konz - 14 Uhr, Schichtwechsel. Die Mitarbeiter, die ihre Arbeit gerade beendet haben, kommen sorgenvoll aus dem Werkstor hinaus. Seit Weihnachten steht die Drohung: Knapp 300 der 370 Mitarbeiter sollen gefeuert werden. Schreibblock und Fotoapparat verraten die Journalisten vor dem Kuag-Eingang. Die meisten Mitarbeiter machen einen weiten Bogen. "Kein Foto. Nein wir sagen nichts. Wir haben Angst, um unsere Jobs", sagen Männer und Frauen und hasten eilig davon. Dietmar Scheer und seine Frau Petra bringen den Mut auf, sich den Fragen zu stellen. Die meisten sind länger als 20 Jahre im Betrieb

"Ich arbeite seit 1972 hier. Damals hatten wir noch 1300 Mitarbeiter, heute sind es noch gut 370. Tja, und bald?" Der 48-jährige gelernte Autoschlosser arbeitet als Betriebsschlosser bei der Kuag. Seine Frau Petra ist seit 1976 bei der Firma. Beide haben eine 14-jährige Tochter. Das Haus ist noch lange nicht abbezahlt. Das Aus bei Kuag - das Lebensziel, die Arbeit von 30 Jahren wäre mit einem Schlag zerstört. Familie Scheer ist kein Einzelfall. "Da kommen Häuser reihenweise unter den Hammer", sagt ein Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen möchte. Die meisten Kuag-Mitarbeiter sind zwischen 48 und 54 Jahren alt. "Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei 21,5 Jahren", sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Joachim Kronz. Zwei Kinder, die studieren, ein Eigenheim, das abgezahlt werden muss, ein behinderter Vater, der zu pflegen ist. Probleme haben die Kuag-Mitarbeiter auch ohne drohende Entlassungen. Doch die Angst, den Job zu verlieren, verdrängt seit Monaten alle anderen Gedanken. "Die Menschen hier machen sich mehr Sorgen um ihre Zukunft als um die Qualität der Arbeit", sagt Hans-Josef Kretz. Seit 15 Jahren arbeitet er bei der Kuag, ist aushilfsweise Schichtführer im Bereich Qualitätssicherung tätig. Kretz hat zwei Kinder, seine Frau ist zuckerkrank, ein Sohn behindert. "Und nun kann ich auch noch meinen Job verlieren." Betriebsratsvorsitzende Franz Zebe kritisiert die Informationspolitik des Managements: "Auch früher gab es im Unternehmen Entlassungen. Doch damals ist die Geschäftsführung anders damit umgegangen. Dieses lange Warten und die Ungewissheit macht die Leute verrückt. Und wir können ihnen auch nichts sagen." Karin Gaspers ist 51 Jahre alt. "Was soll ich tun, wenn die uns rauswerfen? Ich finde doch nirgendwo noch eine Arbeit." Sie ist seit gut 15 Jahren im Betrieb, wurde bei der letzten Einstellungswelle engagiert. "Das ist ein großes Problem. Unsere Mitarbeiter sind mindestens 15 Jahre im Betrieb. Bei einem Sozialplan können wir da doch schlecht sagen, wer zuletzt kam, muss zuerst gehen", sagt Betriebsrat Kronz. "Die lange Betriebszugehörigkeit ist auch ein Zeichen für die Qualität unserer Mitarbeiter", sagt der Betriebsratsvorsitzende Franz Zebe. Wie viele in Konz kann er nicht verstehen, warum es zu diesem Kahlschlag kommen soll. Chancen auf einen neuen Job haben die meisten Kuag-Mitarbeiter nicht. "Wo gibt es in der Region denn noch Industrie-Arbeitsplätze? Wir sind doch alle um die 50 Jahre alt. Das wird für die Menschen und die Region ein ganz schwerer Schlag", sagt Zebe. In den 70er Jahren hatte Kuag sogar noch 1900 Mitarbeiter. Nach und nach wurde das Unternehmen abgespeckt. Unter der Führung der TWD in Deggendorf steht dem Unternehmen nun ein weiterer Kahlschlag bevor. Die Mitarbeiter bangen - und hoffen auf den Mutterkonzern im bayrischen Deggendorf. "Doch ist von dort Hilfe zu erwarten?" fragen sich viele Betroffene.

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