Handel lockt mit hohen Rabatten

Trier · Der Einzelhandel beginnt das neue Jahr mit einer Welle von Rabatt-Aktionen. Bei einem großen Elektrofachmarkt bekommt jeder zehnte Kunde seinen Einkauf umsonst. In anderen Branchen locken schon Preisnachlässe bis zu 70 Prozent.

Trier. Der alte Winterschlussverkauf ist schon seit Jahren tot, doch der Einzelhandel hält gerne an der Tradition fest, nach dem Jahreswechsel Kunden mit hohen Preisnachlässen in die Geschäfte zu locken. Und die Aktionen werden vielfältiger und origineller.

Nachdem Ende 2008 das deutsche Wettbewerbsrecht den EU-Richtlinien angepasst wurde, sind nicht nur der zeitlich enge Rahmen der Schlussverkäufe weggefallen und die Beschränkungen auf wenige Warengruppen wie Schuhe, Textilien und Sportartikel. Auch die Rabatt-Aktionen können nun vielseitiger und innovativer werden.

So lockt etwa der Media Markt in dieser Woche mit einer Werbeaktion, die jedem zehnten Kunden einen kostenlosen Einkauf verspricht. Nach dem Kauf finden die Kunden auf ihrem Kassenbon eine einstellige Nummer. Wird diese Nummer ausgelost, bekommen sie den Kaufpreis erstattet.

"Schon zum Start am vergangenen am Samstag hatten wir mehrere Tausend Kunden, so dass einige Hundert Käufer profitieren werden", ist der Trierer Media Markt-Geschäftsführer Ralf Reichert mit dem Start der Aktion zufrieden.

Mitbewerber Saturn, der wie der Media Markt zum Metro-Konzern gehört, legte kürzlich bei einer Aktion seinen Kunden ab einem Einkaufswert von je 100 Euro einen Gutschein von 15 Euro drauf, und in der Schuh- oder Textilbranche locken schon Preisnachlässe von 20, 30 oder gar 50 Prozent.

Möbelhäuser werben mit hohe Nachlässen, Finanzierungsangeboten ohne Zinsen oder Aktionen, bei denen beim Kauf eines Artikels der zweite Artikel kostenlos ist.

Wettbewerbsrecht wurde erneuert



"Viele Aktionen wären unter dem alten Wettbewerbsrecht gar nicht möglich gewesen", sagt Rolf Ersfeld, Geschäftsführer bei der Industrie- und Handelskammer Trier (IHK) und zuständig für "Recht und Fair Play". Doch mit den EU-Richtlinien haben sich nicht nur die Bedingungen für den Handel gelockert, "gleichzeitig sind die Regeln auch strenger und eindeutiger geworden", erklärt der Experte. So sind auf einer Liste ganz konkret 30 Punkte aufgeführt, an die sich der Handel halten muss - etwa, dass bei vergleichender Werbung der Mitbewerber nicht diskriminiert werden darf oder dass beworbene Waren auch wirklich für den Verbraucher zu vergleichen sind.

Die Verbraucherschützer raten Kunden auch bei Sonderangeboten, "die Augen aufzuhalten und Preise zu vergleichen", sagt Renate Schröder von der Verbraucherberatung Trier.

Lock-Angebote und Mondpreise sind verboten



"Lockangebote und Mondpreise sind auch unter dem neuen Wettbewerbsrecht verboten", sagt sie. Werden etwa Produkte angeboten, die nur sehr beschränkt vorhanden sind (Lockangebote), oder Preise wurden zunächst sehr hoch angesetzt (Mondpreise), um dann stark reduziert zu werden, könne man sich bei der Verbraucherberatung beschweren.

Einige Händler veranstalteten geradezu einen vorgezogenen Schlussverkauf, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels (BTE), Jürgen Dax, in Köln. Im Handel erfolgt gerade der Wechsel von der Winter- zur Frühlingsmode sehr schnell, vor allem im hochpreisigen Bereich. Die Liefertermine und die Messen liegen zeitlich immer früher, deshalb stehen auch die Händler unter Druck, die Ware schneller auszutauschen.

Lagerabverkauf für Handel wichtig



Der Präsident des Einzelhandelsverbands Trier, Michael Müller, betrachtet die Aktionen differenziert. "Das alte Wettbewerbsrecht musste überarbeitet werden", so der Chef des Trierer Modehauses Blaue Hand. Dennoch warnt er vor einer ausufernden "Rabattitis", die den Kunden auch verunsichern könne. Gehe es aber darum, die Lager für neue Waren zu räumen oder hochmodische Ware abzugeben, könnten "die Verbraucher ein Schnäppchen machen, und der Handel profitiert auch davon". Dabei rät er, nicht nur auf den Preis, sondern vor allem auf die Qualität des Angebots zu achten.

Die Sicht des Marketing-Experten



Für den Handel sind solche Aktionen inzwischen ein Muss. Bernd Neisen, Chef der Trierer Werbeagentur "markenmut", teilt die typischen Käufer in drei Gruppen ein: den Markenkäufer, der seiner Bier-, Auto- oder Elektromarke fest verbunden ist, den Promotions-Käufer, der auf Aktionen der Branche reagiert, und den Noname-Marken-Käufer, der zum billigsten Produkt greift. "Nur von den Markenkäufern kann ein Unternehmen heute kaum noch überleben", sagt Neisen. Man brauche auch die Angebots-Käufer. Solche Aktionen müssten nicht immer ein Preisnachlass sein, sondern könnten auch aus einem Zusatznutzen bestehen. Doch die Unternehmen müssten wachsam sein. "Es darf beim Kunden nicht das Bild entstehen, dass der Preis dauerhaft wie auf einem orientalischen Markt zu verhandeln ist."

Nach Meinung vieler Experten wird der Handel 2010 in den kommenden Wochen und Monaten mit weiteren Aktionen den Verbraucher anlocken. "Diese Rabattschlacht ist nur die erste Welle", so ein Branchenkenner.

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