"Ich möchte nicht länger angebettelt werden"

Berlin · 60 begüterte Bundesbürger haben sich in der Initiative "Appell Vermögender für eine Vermögensabgabe" zusammengeschlossen, um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland einzudämmen. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit einem ihrer Wortführer, dem Berliner Millionär Peter Vollmer.

 Ein Millionär, der die Reichensteuer fordert: Peter Vollmer. Foto: Privat

Ein Millionär, der die Reichensteuer fordert: Peter Vollmer. Foto: Privat

Berlin. Europaweit diskutiert die Politik, wie sie Reiche bei der Bewältigung der Krise einbinden kann. Der Millionär Peter Vollmer glaubt, dass schon bald die Reichensteuer kommt.Herr Vollmer, ist privater Reichtum in Deutschland ein Makel?Vollmer: Nein, wie kommen Sie darauf?So aufgeheizt wie die politische Diskussion bei dem Thema zuweilen läuft, müssten Millionäre eigentlich ständig ein schlechtes Gewissen haben.Vollmer: Eigentlich müssten die Politiker ein schlechtes Gewissen haben, weil sie für eine Steuergesetzgebung gesorgt haben, die uns so reich sein lässt. Früher habe ich noch 56 Prozent Spitzensteuersatz bezahlt. Der ist inzwischen auf 42 Prozent gesunken. Dann kam die Kapitalertragsteuer auf 25 Prozent. Das heißt, ich bezahle heute weit weniger Steuern als früher, und mein Reichtum wächst.Geld beruhigt, sagt der Volksmund. Warum beunruhigt es Sie, anscheinend zu viel davon zu haben?Vollmer: Schauen Sie sich doch um. Ich möchte nicht länger angebettelt werden, wie es häufig in der U-Bahn geschieht. Meine Frau ist Lehrerin in Berlin-Neukölln, da können sich die Kinder kein Lehrmaterial kaufen, weil die Hälfte der Eltern auf Hartz IV angewiesen ist. Diese Kluft zwischen Arm und Reich finde ich unerträglich. Wie sind Sie zu ihrem Reichtum gekommen?Vollmer: Ich habe einen Anteil aus dem Familienbetrieb von meinen Vater geerbt. Das ist ein Verlag, an dem mehrere Familienmitglieder beteiligt sind.In Deutschland gibt es gut 95 000 Millionäre. Ihre Initiative hat gerade einmal 60 Mitglieder. Fühlen Sie sich da nicht als einsamer Rufer in der Wüste?Vollmer: Typischer Fall von denkste! Unser Ziel ist es doch nicht, mehr Mitglieder zu gewinnen, sondern dafür mitzusorgen, dass in der Gesellschaft ein Klima der mehrheitlichen Befürwortung von Umverteilung entsteht. Die Regierung und die Politiker müssen unter Druck kommen, in der Richtung etwas zu tun.Bislang hat die Regierung immer dagegengehalten.Vollmer: Moment. Als wir uns vor drei Jahren gegründet haben, war der Begriff Vermögenssteuer oder Vermögensabgabe noch tabu. Heute liefern renommierte Wirtschaftsexperten ein Gutachten nach dem anderen mit entsprechenden Forderungen. Selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble findet die Idee inzwischen gar nicht so schlecht.Aber doch nicht für Deutschland, sondern nur für die Krisenländer im Süden.Vollmer: Aber immerhin: Der Reichtum wird thematisiert.Kritiker wenden ein, dass eine stärkere Belastung Reicher nur ein symbolischer Akt wäre.Vollmer: Irrtum. Damit lässt sich für den Staat sehr viel Geld einnehmen. Wir schlagen eine Abgabe von zehn Prozent ab einem Vermögen von 500 000 Euro pro Person gestreckt auf zwei Jahre vor. Dadurch kämen etwa 150 Milliarden Euro zusammen. Anschließend soll eine Vermögensteuer von einem Prozent bei gleichem Freibetrag greifen. Für ein Ehepaar hieße das, erst ab einer Millionen Euro wird der Fiskus aktiv. Das tut keinem weh.Trotzdem könnten Millionäre ihr Geld verstärkt ins Ausland schaffen. Was wäre damit gewonnen?Vollmer: Diese These halte ich für eine leere Drohung. Sämtliche Besitzsteuern in Deutschland entsprechen gerade einmal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Frankreich sind es 3,5 und in Großbritannien sogar 4,6 Prozent. Wegen dieser niedrigen Besitzsteuer ist aber noch kein englischer oder französischer Millionär nach Deutschland abgewandert.Sie sind jetzt 72 Jahre alt. Rechnen Sie damit, die Einführung einer Vermögensabgabe noch zu erleben?Vollmer: Ja, auf jeden Fall. Der Staat braucht Geld, und bei den unteren Schichten ist immer weniger zu holen. Da bleiben nur noch wir. vetExtra

Vermögen: Nach Angaben der Initiative "Appell Vermögender für eine Vermögensabgabe" beläuft sich das Nettoprivatvermögen in Deutschland auf knapp 7,5 Billionen Euro. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen davon rund zwei Drittel (63 Prozent). Neben dem Geldvermögen zählen auch Immobilien dazu. Schulden: Auf das ärmste Zehntel der Bevölkerung entfallen dagegen Schulden in Höhe von rund 14,1 Milliarden Euro. Die gesamtstaatliche Verschuldung beträgt derzeit gut zwei Billionen Euro. Rein rechnerisch steht damit jeder Bundesbürger mit 25 000 Euro in der Kreide. Armut: Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband sind zwölf Millionen Menschen armutsgefährdet, 14,5 Prozent der Bevölkerung. Ihr Einkommen beträgt weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens. Für einen Single-Haushalt lag diese Schwelle im Jahr 2010 bei monatlich 826 Euro, für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1735 Euro. vet

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