Die IHK hinterfragt in Blitzumfragen die Lage ihrer Mitgliedsbetriebe. Wie sieht es momentan aus?
Regionale Wirtschaft Der Ausbildungsmarkt ist jetzt eine Momentaufnahme
TRIER · Wie die Industrie- und Handelskammer versucht, die Krise von der heimischen Wirtschaft abzuwenden.
Seit Wochen hält die Corona-Krise auch die regionale Wirtschaft im Griff. Doch die Verantwortlichen bei der Industrie- und Handelskammer Trier (IHK), Präsident Peter Adrian und Hauptgeschäftsführer Jan Glockauer, sind optimistisch, dass sich diese Situation mit gemeinsamen Anstrengungen meistern lässt. Deutliche Kritik gibt es am DGB-Landeschef Dietmar Muscheid. Dessen Einschätzung zum Ausbildungsmarkt sehen beide als Störfeuer zur Unzeit an. Mit den beiden sprach TV-Redakteur Heribert Waschbüsch.
Glockauer: Derzeit berichten rund 80 Prozent der Betriebe von Umsatzeinbrüchen, 15 Prozent haben Liquiditätsengpässe mit rückläufiger Tendenz. Da zeigen die Hilfsmaßnahmen erste Erfolge. Sehr schwierig ist, dass fast acht Prozent der Unternehmen eine Insolvenz derzeit nicht ausschließen können. Das ist natürlich von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Wir haben also immer noch eine sehr angespannte und in dieser Ausprägung nie dagewesen Krisensituation.
Gerade gab es erste Erleichterungen für die Gastronomie, haben Sie schon Rückmeldungen von den Betrieben. Wie ist Ihre Einschätzung?
Glockauer: Wir bekommen sehr viele Rückmeldungen, wir haben ja auch Hotlines, sogar am Wochenende, geschaltet und beraten die Betriebe umfassend. Die gute Nachricht ist, dass es jetzt für die Gastronomie und Hotellerie wieder eine Perspektive gibt, für die wir lange gerungen haben. Nun muss sich der Neustart mit all den Auflagen in der Praxis durchsetzen. Bei einem Rundgang mit Herrn Oberbürgermeister Leibe ist uns aufgefallen, dass es Gastrobetriebe gibt, die damit leicht klarkommen, weil sie wenig umstellen mussten. Es gibt aber auch Restaurants, deren Räume so klein sind, dass sie kaum noch ein Geschäft machen können. Im Bereich der Außengastronomie hilft beispielsweise die Stadt Trier auf sehr unkonventionelle Art und Weise: Wo es geht, darf dieser Bereich erweitert werden. Wichtig ist, wir haben jetzt Perspektiven, wichtig ist, die Unternehmen kennen die aktuellen Auflagen und wenn sich die Situation weiter positiv entwickelt, wird es darum gehen, diese Auflagen weiter zu reduzieren.
Welche nächsten Schritte erwarten Sie von der Politik? Wie sind Sie bisher mit den Entscheidungen einverstanden?
Adrian: Die Maßnahmen zeigen Wirkung. Es ist richtig, schrittweise zu lockern und zu sehen, welche Auswirkungen diese Änderungen haben, um dann den Weg weiterzugehen. Diese Politik unterstützen wir. Sie ist von Pragmatismus und von Vorsicht geprägt. Und die Zahlen, die wir von den Virologen gemeldet bekommen, zeigen uns, dass dieser Lockerungsprozess weitergehen kann, damit wir im Sommer immer mehr zu einer Normalität zurückkehren können.
Glockauer: Ganz entscheidend war es, dass wir nun für fast jede Branche eine Aussicht haben. Jetzt geht es darum, die Auflagen, die es Branchen bezogen gibt, im Blick zu behalten und dort, wo es Sinn macht, diese weiter zu reduzieren. Unsere Unternehmen sind motiviert und engagiert dabei, die Auflagen auch zu erfüllen, – schon aus eigenem Interesse heraus, denn nichts wäre schlimmer, als wenn wir wieder einen Schritt zurück machen müssten. Wir können bestätigen, dass die Politik in Bund und Land bislang vieles richtig gemacht hat.
Noch bis Januar hatten die Unternehmen in der Region, wenn sie nach Problemen gefragt worden, den Fachkräftemangel ganz oben auf der Agenda stehen. Hat sich das geändert?
Adrian: Der Fachkräftemangel wird auch in Zukunft ein prägendes Thema bleiben. Die Lage hat sich natürlich im Moment verändert, weil in vielen Unternehmen durch den Shutdown plötzlich andere Probleme im Mittelpunkt stehen, als die weitere Entwicklung, die weitere Expansion. Das gilt natürlich auch für den Ausbildungsbereich. Aber auch heute gilt, dass die berufliche Ausbildung die Grundlage für die Fachkräftegewinnung der Zukunft bleibt. Bis zur Corona-Krise war die Situation ja so, dass die Unternehmen auch über die Kammern händeringend nach Auszubildenden gesucht haben. Das wird mit einer weiteren Lockerung, mit einer Normalisierung der Situation auch wieder ein drängendes Thema für die regionale Wirtschaft werden.
Die Zahl der eingetragenen Lehrverträge liegt aber deutlich zum Vorjahr zurück. Gibt es dafür noch andere Gründe?
Glockauer: Wir betreuen in der Region Trier etwa 5000 Ausbildungsverhältnisse. Jedes Jahr kommen knapp 2000 neue Azubis dazu. Die werden bei uns in der Region von 1500 IHK-Mitgliedsbetrieben ausgebildet. Aktuell – im Vergleich zum Vorjahr – haben bei den neuen Verträgen einen Rückgang von 18 Prozent. Das sind in absoluten Zahlen rund 130 Ausbildungsverhältnisse weniger.
Woran liegt das?
Adrian: Viele der Verträge sind noch bei den Betrieben, weil die bearbeitenden Mitarbeiter in Kurzarbeit sind oder andere dringendere Aufgaben zu erledigen hatten. Einige Unternehmen hatten aber auch eine extrem angespannte Situation und zögern deshalb noch ein wenig, ob sie jetzt bereits im Sommer einen Azubi einstellen sollen. Hier setzen wir an, beraten und unterstützen, damit nicht nachgelassen wird im Ausbildungsengagement. Denn das ist eine mittel- und langfristige Investition in die Zukunft des Unternehmens.
Es gibt aber auch generelle Kritik, etwa vom DGB ...
Glockauer: Ich halte es für absolut fahrlässig, in der jetzigen Situation unsere Berufsausbildung derart schlecht zu reden und das auch noch mit dem geschmacklosen Hinweis, dass sich das Ausbildungssystem schon vor der Corona-Krise auf der Intensivstation befunden habe. Was wir derzeit haben ist eine Momentaufnahme, der Angriff kommt zur Unzeit und ist vollkommen kontraproduktiv. Die Ausbildung junger Menschen ist unsere zentrale Aufgabe. Wir sind dafür zuständig und werden zusammen mit den Betrieben diese auch wieder hochfahren.
Wie funktioniert derzeit die Ausbildung, wie sieht es mit den Abschlussprüfungen für die jungen Menschen aus?
Adrian: Auch wir hatten in diesem Bereich einen Shutdown. Die Kammern konnten keine Prüfungen durchführen. Die Berufsschulen waren geschlossen. In vielen Branchen waren die Unternehmen geschlossen und damit konnte auch keine betriebliche Ausbildung stattfinden. Das wird noch eine Zeit lang nachwirken. Jetzt fahren die Berufsschulen aber wieder hoch, zunächst die Klassen, die vor dem Abschluss stehen. Die Prüfungen, die wir alle absagen mussten, werden demnächst nachgeholt.
Glockauer: Die neuen Prüfungstermine sind definiert. Dafür brauchen wir einmal mehr unsere ehrenamtlichen Prüfer, sowohl aus den Betrieben, aber auch aus den Berufsschulen. Wir brauchen zusätzliche Räume, die nach den neuen Abstandsregeln eingerichtet werden müssen. Das bedeutet, wir brauchen mehr Prüfer und mehr Aufsichtspersonal. Und da muss man deutlich betonen, dass es unheimlich viele Ehrenamtsträger gibt, die sich dieser zusätzlichen Verantwortung stellen. Hier gilt es auch einmal ganz herzlich Dank zu sagen.
Wie könnten Betriebe in ihrem Ausbildungswillen denn unterstützt werden?
Glockauer: Ein wichtiger Ansatz wäre das Kurzarbeitergeld für Auszubildende. Es sollte nicht, wie im Berufsbildungsgesetz vorgeschrieben, erst nach sechs Wochen Kurzarbeit bezahlt werden. Unser Vorschlag lautet nach wie vor, dass die Arbeitsagentur von Anfang an 60 Prozent Kurzarbeitergeld zahlt und der Betrieb die restlichen 40 Prozent aufstockt. Das würde Ausbildungsbetriebe entlasten, in denen aktuell faktisch nicht ausgebildet werden kann.
Wie funktioniert in solchen Corona-Zeiten die Kammerarbeit?
Adrian: Wir haben vor Wochen eine virtuelle Vollversammlung abgehalten und unsere Mitglieder aus alle Branchen berichten lassen. Das Ergebnis war ein sehr differenziertes Bild. Der Bericht aus den verschieden Wirtschaftsbereichen hat uns gezeigt, dass es Unternehmen gibt, die die Krise kaum spüren, es gibt sogar welche, die Zuwächse erzielen. Doch es gibt auch viele Branchen, die massiv und sehr hart betroffen sind. Wenn die Lockerungsmaßnahmen funktionieren, bleibe ich optimistisch, dass es in der Region nicht so dramatisch wird.
Glockauer: Wir hatten Ende April diese Sitzung und danach noch einen weiteren Austausch. Wir selbst sind ja in der aktuellen Arbeit fast nur mit von der Krise getroffenen Betrieben im Kontakt, die Gastronomie, die Hotellerie, Handel, Tourismus, der Messebau und die Veranstaltungsbranche. Hier muss unbedingt ein zweites Hilfsprogramm von Bund und Land kommen, um diese Bereiche zu stützen. Seitdem wir aber für fast alle Bereiche eine Perspektive bekommen haben, müssten wir eigentlich den Scheitelpunkt der Entwicklung erreicht haben. Wie es jetzt weitergeht, hängt entscheidend davon ab, wie die Betriebe mit dem Neustart und den Auflagen zurechtkommen und welche zusätzliche Unterstützung von der Politik gewährt wird. Aber es hängt auch von unserer Arbeit ab: Wir werden die Betriebe in dieser schwierigen Phase weiter umfassend unterstützen!