Im Bundestag regt sich Widerstand

Der Nervenkrieg ist erst einmal vorbei. Nach wochenlangem Gezerre einigen sich Euroländer und Weltwährungsfonds auf neue Milliardenhilfen für Griechenland. Die Geldgeber ziehen an einem Strang, um den riesigen Schuldenberg Athens abzutragen.

Berlin. Wieder soll der Bundestag im Schweinsgalopp über Milliarden für Griechenland entscheiden. Nach der Einigung in Brüssel in der Nacht zum Dienstag plant die Koalition die endgültige Abstimmung schon am morgigen Donnerstag. Doch im Parlament regt sich massiver Widerstand. Die SPD, sonst verlässliche Unterstützerin der Euro-Rettungspolitik von Kanzlerin Angela Merkel, verlangt mehr Zeit. Und auch bei Schwarz-Gelb machen die Gegner wieder mobil.
Die SPD: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte ein "zweistufiges Verfahren". Er will in dieser Woche nur das Okay für den Start des geplanten Schuldenrückkaufprogramms geben und über das Gesamtpaket beraten. Über die Freigabe des nächsten Teilkredits aber will er erst Mitte Dezember entscheiden, wenn endgültig klar ist, ob auch der IWF (Internationale Währungsfonds) mitmacht.
Die Kritik: "Wir sind kein Abnickparlament", sagte Steinmeier unserer Zeitung. Außerdem verlangte er, die Abstimmung erst am Freitag zu machen. "Wochenlang drehen sich die Finanzminister bei ihren Beratungen im Kreis, aber dann soll der Bundestag innerhalb von 48 Stunden zustimmen. Da fehlt jeder Respekt vor dem Parlament." Bisher seien weder die übersetzten Texte noch die Berechnungen über die Entwicklung der griechischen Staatsschuld oder die Wirkungen des Beschlusses für den Bundeshaushalt beim Bundestag eingegangen, sagte Steinmeier.
Der Bundesfinanzminister: Am Morgen noch waren alle Fraktionsvorsitzenden per Telefon von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterrichtet worden. Heute will der Minister den Haushaltsausschuss informieren; am Donnerstag ist vor dem Bundestag eine Regierungserklärung von ihm geplant, ehe dann abgestimmt werden soll. Kanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Montagabend in der CSU-Landesgruppe für die neuen Rettungsmaßnahmen geworben. Zu dem Zeitpunkt waren sie in Brüssel zwar noch gar nicht beschlossen, doch hatten sich die Konturen schon abgezeichnet. Dem Vernehmen erhielt Merkel bei den sonst eher Griechenland-kritischen Christsozialen Unterstützung für ihren Kurs. Eurorebell Peter Gauweiler war allerdings nicht anwesend.
FPD und die Union: Auch in den Fraktionssitzungen von Union und FDP zeichnete sich gestern Zustimmung ab. "Ich wüsste nicht, was besser würde, wenn man noch eine Woche wartet", rechtfertigte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt den Zeitdruck. Zugleich meldeten sich die Kritiker zu Wort: "Griechenland III ist ein weiteres Stück verantwortungsloser Finanzjonglage", fand der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch. "Die Insolvenzverschleppung geht ins dritte Jahr." Angesprochen auf mögliche Abweichler bei der Abstimmung, sagte Willsch: "Ich hoffe, dass wir mehr werden." Demgegenüber meinte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, er rechne mit einer breiten Zustimmung im Parlament. "Das ist erneut eine großzügige Hilfe. Jetzt muss Griechenland das konkret umsetzen."
Die Opposition: Sie will vor allem Klarheit über einen möglichen Schuldenschnitt und wirft der Regierung vor, diesen jetzt nur wegen der kommenden Bundestagswahl zu verschleppen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, das vorgelegte Paket sei "noch nicht das Ende der Fahnenstange." Sie fordere die Regierung auf, die Wahrheit zu sagen. Ähnlich formulierte es SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: "Die Stunde der Wahrheit steht nach wie vor aus."
Vage Andeutungen: Allerdings schloss Brüderle einen Schuldenschnitt gestern nicht mehr ausdrücklich aus. Unter den jetzigen Bedingungen verstoße er gegen das Haushaltsrecht. Zu einem späteren Zeitpunkt allerdings "könnte auch eine Maßnahme dieser Art mit einbezogen sein", sagte er. Schäuble machte ähnliche Andeutungen. Die bisherigen rechtlichen Bedenken entfielen, meinte er, sobald Griechenland ein deutliches Primärplus erreiche. Gemeint ist damit ein Haushaltsüberschuss ohne Berücksichtigung der Schuldzinsen.

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