Im Strom der Energiewende

Trier · Die Energiewende in Deutschland wird unvermeidbar sein. Und doch tun sich viele Unternehmer schwer mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Vor allem herrscht Skepsis in der Region Trier darüber, wie die konstante Versorgung der Industrie mit Strom gewährleistet werden kann.

Trier. Roland Seidel, Geschäftsführer des Trierer Automobilzulieferers und Stahlverarbeiters GKN Driveline, hat allein im vergangenen Jahr für jeden seiner 500 Arbeitsplätze rund 4000 Euro an Energiesteuer und Umlage für Öko-Strom-Subventionen zahlen müssen. Wer in solch energie-intensiven Branchen arbeitet, steht zwangsläufig einem Systemumbau, wie er mit der Energiewende in Deutschland (siehe Extra II) bis 2022 vorgesehen ist, skeptisch gegenüber.
Und dennoch ist er optimistisch, dass der Wechsel vom jederzeit verfügbar und angebotenen Strom hin zur nach Bedarf erzeugter Energie funktionieren wird. "In den nächsten Jahren wird es gelingen, Bevölkerung und Wirtschaft davon zu überzeugen, dass jeder seinen Beitrag leisten kann", sagt der Trierer Industrie-Chef.
Beim Wirtschaftsforum der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier mit rund 190 Gästen zum Thema "Energiewende in Rheinland-Pfalz - Wie sieht die Zukunft in der Region Trier aus?" spricht er in der Experten-Runde davon, wie wichtig es sein werde, die Effizienz bei der Stromverwertung in den Betrieben auszuweiten. "Wir sind stolz, dass wir schon 2008 einiges dafür getan haben", sagt Seidel und berichtet vom Kostendruck auf Kunden- sowie auf Lieferantenseite. "Energie ist heute ein Kostenfaktor geworden", mit dem auch das Trierer Werk täglich im Vergleich mit anderen GKN-Standorten stehe.
Damit stehen Seidel und sein Unternehmen nicht allein da. Denn 60 Prozent der Industrie-Unternehmen in der Region Trier sehen laut einer aktuellen IHK-Umfrage in steigenden Energie- und Rohstoffpreisen ein wesentliches Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Der gleiche Anteil an Unternehmern befürchtet vor allem zunehmende Stromausfälle und Spannungsschwankungen für ihre Produktion.
"Ich halte es für vollkommen richtig, regenerative Energieformen weiter zu entwickeln", gesteht IHK-Präsident Peter Adrian beim Forum. Und auch in der Region Trier profitierten viele Betriebe von der Energiewende. Jedoch sei die Förderlandschaft unökonomisch. Außerdem sei im Entwurf zur Weiterführung des Landesentwicklungsprogramms "keine Aussage zum Bau neuer Stromnetze und entsprechender Speicheranlagen", kritisiert er.
Auch die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne), die auf dem Rückweg von Berlin in Trier Station macht, sieht in der fehlenden Speicherfähigkeit von dezentral erzeugter Energie und unzureichender Regelungstechnologie die größten Defizite der Energiewende. Hier müsse angesetzt werden.
"Ihre Sorgen um bezahlbare Energiepreise sind auch die Sorgen von Bundes- und Landesregierung", versucht die Ministerin alle politischen Lager mit ins Boot zu nehmen. Denn die Preistreiber seien fossile Rohstoffe wie Erdöl. "Das Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt jedoch jedem die Möglichkeit, selbst Energielieferant zu werden. Das ist Ihre Chance als Unternehmer."
Lemke lobt das Engagement in der Region etwa bei den Stadtwerken Trier (SWT). Vorstand Olaf Hornfeck berichtet davon, in diesem Jahr rund 100 Millionen Kilowatt Stunden Energie allein aus Sonne, Wind und Wasser zu erzeugen - Strom für etwa 19 300 Vier-Personen-Haushalte.
Joachim Streit, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, in dem bereits 83 Prozent der benötigten Energie aus regenerativen Quellen kommt, hält eine Energiewende nur dort für möglich, "wo man regenerative Quellen auch zulässt. Es ist klar: Es gibt eine Veränderung des Landschaftsbildes und eine neue Form der Konversion - vom Bauern zum Energie-Lieferanten", sagt er und spricht die neuen Geschäftsfelder Biomasse und Solarkraft an. Das akzeptiere nicht jeder.
Und so ist Streit - neben dem Europa-Abgeordneten Werner Langen (CDU): "Wir können nicht gleichzeitig eine Energiewende haben und die CO{-2}-Reduzierung vorantreiben, ohne die europäischen Nachbarn mit ins Boot zu nehmen." - der einzige Pessimist beim IHK-Forum. "Das Land und die Wirtschaft leben von der Energie-Sicherheit", sagt Streit. Wenn nicht gewährleistet sei, dass es ausreichend Zeit gebe, ein Trassennetz zu bauen, das jederzeit die Energie aufnehme, wann und wo sie entstehe, gebe es auch keine Energiewende.
Der Trierer FH-Professor Dirk Brechtken sieht auch im Zeitdruck der Bundes- und Landesregierung die größte Hürde: "Zeitdruck erschwert vernünftige Konzepte." Gleichzeitig beruhigte der Experte für alternative Energieformen: "Man kann sich alle Lösungen vorstellen - beginnend bei der Energie-Effizienz. Man muss nur irgendwo anfangen."Extra

Nur wenige Monate nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima in Japan hat die Bundesregierung im Juni 2011 die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerken abschalten lassen und den Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Auch wenn es Offerten anderer Länder gab, bei Engpässen einzuspringen, war Deutschland selbst bei strengem Frost in diesem Winter bei Spitzenlast Nettostromexporteur. Die stabilisierende Wirkung der Stromerzeugung aus regenerativer Energie wurde öffentlich von den Netzbetreibern eingeräumt. Die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) und der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) rechnen damit, dass bis 2020 ein Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Höhe von 28 Prozent erreichbar ist. Das Ziel der Bundesregierung: 18 Prozent. Rheinland-Pfalz will bis 2030 seine komplette Energieversorgung auf regenerative Quellen umstellen. In der Wirtschaft wird das Thema Energiewende ambivalent betrachtet. Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie insbesondere die energieintensive der Energiewende skeptisch gegenüber stehen, betonen Unternehmen wie Siemens, aber auch größere Teile des Handwerks, die Vorteile der Umstellung auf erneuerbare Energien. Die Energiewende wird als ein möglicher Baustein gesehen hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung - Strom, Wärme, Treibstoff - mit erneuerbaren Energien. Hierzu zählen die Windenergie, Biomasse, Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie oder Meeresenergie. Da einzelne Bereiche ein begrenztes Potenzial haben, sind mehrere parallele Ansätze notwendig. Dazu gehören Energiesparen (Wärmedämmung) und die Verbesserung der Energieeffizienz (Kraft-Wärme-Kopplung). (Quelle: Wikipedia/sas)Extra

Beratung und Infos für Unternehmen, Kommunen, Bürger: Dafür bewilligte die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke beim IHK-Wirtschaftsforum in Trier 40 000 Euro für eine Veranstaltungsreihe zur Zukunft der Energieversorgung in der Region. Am Ende des Regionalen Energiekonsens Region Trier steht ein Konzept und ein Energiemanager, der Steckbriefe ähnlich dem Energiepass für Betriebe und Kommunen erstellen soll. Der Energiekonsens soll den bestehenden Energieplan der Region fortschreiben. Die Energieagentur Region Trier GmbH ist Trägerin des Projekts. sas

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