Industrie als Stabilitätsfaktor der Region

Trier/Wittlich · Die Region Trier weist sich deutschlandweit gesehen nicht gerade als Hort industrieller Fertigungen aus. Und doch gibt es regionweit 36 000 Industrie-Beschäftigte. Ein Blick auf einen Weltmarktführer, die Branche zwischen Eifel, Mosel und Hunsrück und die größten Herausforderungen für die Zukunft.

 Ein besonderer Spezialist in der Maschinenbau-Industrie: Bei der Firma Clemens aus Wittlich arbeiten Mitarbeiter an einer Schweißanlage für Kellereitechnik. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Ein besonderer Spezialist in der Maschinenbau-Industrie: Bei der Firma Clemens aus Wittlich arbeiten Mitarbeiter an einer Schweißanlage für Kellereitechnik. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Trier/Wittlich. Dass man als Unternehmer ständig seine Märkte und Kunden im Blick haben muss, zeigt, dass wir Bernhard Clemens, Geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Wittlicher Unternehmens, zum Telefongespräch auf der Mailänder Messe Simei erreichen, der weltweit größten Fachmesse für Kellerei- und Flaschenabfüllmaschinen. In seiner 61-jährigen Geschichte ist die Firma ein so genannter Hidden Champion - einer der versteckten Weltmeister im deutschen Mittelstand, die sich in Nischen spezialisiert haben und weltweite Spitzenreiter ihrer Branche sind. Für Clemens kommt es jetzt im Herbst darauf an, nach der Weinlese die Stimmung zu testen und die Investitionsneigung herauszufinden. Denn das Unternehmen produziert in den Bereichen Weinbautechnik (Exportanteil 80 Prozent), Kellereitechnik und Sondermaschinenbau, etwa für die Reifen-, Lebensmittel- und Textilindustrie. "Die Weinernte in Italien war sehr gut. Und auch die Stimmung ist gut", gibt Clemens eine erste Einschätzung ab.

Damit spiegelt die Firma Clemens ein Stück weit die Lage der Industriebranche der Region Trier wider. "Die Region ist nicht vom Weltmarkt getrieben", sagt Matthias Schmitt, Geschäftsführer Standortpolitik der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier zum bundesweit von Seiten der Kammervereinigung ausgerufenen gestrigen "Tag der Industrie" . Der neue Bericht zum "Industriestandort Region Trier" zeige, dass die hiesige Branche trotz der europaweiten Krise 2008/2009 "ein Stabilitätsfaktor" gewesen sei, sagt Schmitt. Während damals Umsatz und Export stark gesunken seien, sei der Mitarbeiterstamm in dieser Zeit nahezu gleich geblieben (siehe Extra). Ohnehin sei die Geschäftslage oftmals weitaus besser als die Erwartungen der Betriebe vermuten ließen.
Bernhard Clemens bestätigt dies. "Deutsche Maschinen sind im Ausland gefragt. Vor allem der Sondermaschinenbau boomt", sagt der Chef über rund 125 Mitarbeiter.
Auch wenn in der Region Trier einige automobilnahe Betriebe eine Phase mit Produktionsrückgängen und Kurzarbeit hinter sich hätten, so werde der deutsche Maschinenbau doch "Profiteur der Krise" sein, sagt Clemens. Vor allem in den USA, wo das Unternehmen eine Niederlassung in Kalifornien unterhält, sei ein Aufschwung wieder spürbar. "Für 2014 rechnen wir mit einer starken Steigerung unseres Absatzes", blickt Bernhard Clemens voraus. Die zwischenzeitlich ausgesetzte Förderung für Investitionen in Weinkellereien sei von Seiten der EU wieder angelaufen, so dass mit neuen Investitionen zu rechnen sei. Mit einer Gesamtexportquote von 40 Prozent und einer Kundenstreuung im gesamten Ausland sieht sich das Wittlicher Unternehmen deshalb gut gerüstet für konjunkturelle Schwankungen.

Damit liegt Clemens mit seinem Exportanteil über dem durchschnittlichen Auslandsgeschäft der Industrie-Betriebe in der Region. Und obwohl die Umsätze und Exporte innerhalb der heimischen Branche im Vergleich zur Entwicklung in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren nicht ganz mithalten konnten (siehe Extra), so haben die Firmen in Eifel und Hunsrück sowie an der Mosel kräftig in ihr Personal investiert. "Wir verzeichnen eine starke Betriebstreue in den Firmen", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Glockauer. Auch in der Krise werde an Mitarbeitern festgehalten.
Bernhard Clemens sieht die Anwerbung von Auszubildenden für den gewerblichen Bereich als größte Herausforderung für die Industrie in der Zukunft. Er selbst habe versucht, durch eine hohe Zahl von Lehrlingen für Fachkräftenachwuchs zu sorgen. "Aber es gibt zu wenig junge Leute. Und bei einer guten Konjunktur ist es schwierig, gut ausgebildete Fachkräfte und Ingenieure zu halten", sagt er.

Trotz der jährlich rund 500 neuen Ausbildungsverhältnisse in der heimischen Indstrie sieht auch die IHK - neben den Geschäftsrisiken der Energieversorgung und der Infrastruktur - gerade den Mangel an Fachkräften als "zentralen Engpassfaktor", wie Geschäftsführer Matthias Schmitt beschreibt. Allein in der Industrie der Region Trier können 38 Prozent der Betriebe offene Stellen nicht besetzen. Dabei ginge es nicht allein um Ingenieure, sondern um Techniker, Meister und Fachwirte, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Glockauer. Die machten rund 80 Prozent des benötigten Personals aus: "Der Fachkräfteengpass wird sich laut unseren Prognosen ab 2018 noch verschärfen."
Extra

In der Region Trier arbeiten derzeit rund 36 000Beschäftigte in gut 300 Industriebetrieben. Die meisten von ihnen arbeiten im Kreis Bernkastel-Wittlich und im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Die umsatzstärksten Betriebe liegen im Kreis Bernkastel-Wittlich und in der Stadt Trier. Alle Industrieunternehmen zusammen erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 9,2 Milliarden Euro. Davon entfielen 2,6 Milliarden Euro auf den Export. Die Wertschöpfung des regionalen produzierenden Gewerbes lag bei 3,5 Milliarden Euro - ein knappes Drittel der gesamten Wertschöpfung in der Region. Schwerpunkt der regionalen Industriestruktur sind die Verbrauchsgüterproduzenten, also Nahrungs- und Genussmittelhersteller wie die Bitburger Brauerei, Arla Foods, Quint Fleischwaren, Dr. Oetker, Sektkellerei Schloss Wachenheim oder Japan Tobacco International. Weil die meisten Waren innerhalb Deutschlands abgesetzt werden, ist der Exportanteil der Region Trier mit insgesamt 30 Prozent relativ niedrig. In Rheinland-Pfalz liegt dieser bei rund 50 Prozent. Die Entwicklung in den vergangenen sechs Jahren zeigt: Die Zahl der Industriebeschäftigten in der Region ist um zehn Prozent gestiegen (Land: plus fünf Prozent), der Umsatz analog zum Landesdurchschnitt hat um rund 20 Prozent zugelegt, und der Export ist um rund 25 Prozent (Land plus 30 Prozent) gewachsen. sas

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