"Interessenvertretung ist Ausdauersport"

Trier · Die Industrie- und Handelskammern (IHK) sind unerlässlich für das Funktionieren der deutschen Wirtschaft. Davon sind sowohl der scheidende Trierer IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel als auch sein Nachfolger Jan Glockauer überzeugt.

 Wollen gemeinsame Projekte prüfen und lokale Akzente setzen: Arne Rössel, neuer Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Koblenz, und Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. TV-Foto: Sabine Schwadorf

Wollen gemeinsame Projekte prüfen und lokale Akzente setzen: Arne Rössel, neuer Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Koblenz, und Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. TV-Foto: Sabine Schwadorf

Trier. Die Standorte Trier und Koblenz werden nicht fusionieren. Das halten Arne Rössel, neuer Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz, und Jan Glockauer, neuer Hauptgeschäftsführer der IHK Trier, fest. Wie es für die Trie rer Industrie- und Handelskammer nach dem Wechsel weitergeht und welche Schwerpunkte nun gesetzt werden, darüber sprachen die beiden Funktionäre mit den TV-Redakteuren Sabine Schwadorf und Heribert Waschbüsch.Herr Rössel, was ist Ihnen von der Region haften geblieben? Und was sind die Tipps, die Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?Rössel: Das Besondere an der Region Trier ist die Grenzlage und der Faktor Luxemburg, der mit dazu beigetragen hat, dass sie eine Boomregion geworden ist. Die Vorteile der kurzen Wege konnte man mal mehr, mal weniger gut nutzen. Das ist das Pfund, das die Region noch mehr in die Waagschale legen muss für die Zukunft. Es ist gleichzeitig mein Tipp an meinen Nachfolger, noch stärker Netzwerke zu bilden.Apropos Netzwerke. Nun geht der Hauptgeschäftsführer von Trier nach Koblenz. Und alle erwarten, dass es Synergien gibt. Inwiefern werden beide Kammern verzahnt?Rössel: Wir können die Zusammenarbeit sicher verbessern. Denn die Kammer Koblenz war bislang sehr zurückhaltend gegenüber Kooperationen. Es wird aber nicht so weit kommen, dass es eine Zusammenlegung gibt. Das macht keinen Sinn, auch wirtschaftlich nicht. Glockauer: Das sehe ich genauso. Ich bin ein großer Freund der Zusammenarbeit zwischen den IHK, weil beide Seiten Vorteile davon haben. Da sehe ich Trier und Koblenz als Vorreiter. Meine persönliche Erfahrung liegt in der Weiterbildung und beim Zusammenlegen von Lehrgängen.Welche Bereiche außer der Aus- und Weiterbildung können Sie sich noch als Synergie-Bereiche vorstellen?Rössel: Vor allem im Rechtsbereich ist das möglich. Wir bekommen alle ein, zwei Jahre neue hoheitliche Aufgaben. Nun steht die Finanzdienstleisterregulierung an (Um unseriösen Anbietern von Finanzprodukten Einhalt zu gebieten, ist geplant, die Finanzmärkte stärker zu regulieren. Dazu müssen Berater eine verschärfte Prüfung ablegen. Zuständig sollen die Industrie- und Handelskammern sein. Anm. d. Red.) Das ist ein ganz spezieller, anspruchsvoller Bereich. Da werden wir schauen, was Trier und was Koblenz arbeitsteilig tun kann. Da macht es Sinn, die Kompetenzen an nur einem Ort aufzubauen. Und welche Schwerpunkte könnte Trier einnehmen?Rössel: Politisch ist Trier seit langem der Federführer in der Berufsbildung für alle rheinland-pfälzischen IHK. Das bleibt auch so. Und mit dem Hintergrund von Herrn Glockauer werden wir da noch ein Pfund drauflegen. Auch beim Thema Wein sind wir federführend. Mir ist sehr wichtig, dass nicht der Eindruck entsteht, dass nun alles nach Koblenz geht. Trier ist genauso leistungsfähig.Ein Thema wird die Wirtschaft künftig beschäftigen: der Fachkräftemangel. Ist das ein Schwerpunkt von Ihnen, Herr Glockauer?Glockauer: Fachkräftesicherung finde ich den besseren Begriff. Das ist eines der IHK-Themen der Zukunft. Es geht aber nicht nur um die Auszubildenden, sondern auch um Weiterbildung, um Familie und Beruf, um Migration - ein großes Puzzlespiel. Gerade Berufsorientierung muss frühzeitig und mit System erfolgen, dass man jungen Menschen stärker den Weg bereitet. Ich setze da sicher Schwerpunkte. Aber auch Mitarbeitergesundheit und betriebliches Gesundheitsmanagement werden ein Thema werden. Sie sind von Hause aus Schifffahrtskaufmann. Wie hat Sie die eigene Ausbildung geprägt?Glockauer: Ich habe eine Ausbildung bei Hapag Lloyd gemacht, weil ich nach der Schule nicht wusste, was ich studieren will. Da bin ich zwar zufällig hineingekommen, ich möchte das aber nie missen. Es war wichtig, Strukturen und Hierarchien zu erleben. Es hat mir Orientierung für mein Studium gegeben.Ein anderes Thema: Vorm Europäischen Petitionsausschuss geht es erneut um die Kammermitgliedschaft. Wie wichtig ist die Mitgliedschaft für die Zukunft?Rössel: Wenn es das Kammerwesen nicht gäbe, müsste es neu erfunden werden. Warum ist die deutsche Wirtschaft so stark? Auch, weil wir das Kammerwesen haben. Wir organisieren eine bundesweit einheitliche Berufsausbildung. Wir unterstützen die Exportorientierung der Unternehmen. Und die ehrenamtliche Selbstverwaltung ist so effizient, dass wir Beiträge senken können (Umlage sinkt 2012 von 0,36 auf 0,27 Prozent, Anm. d. Red.). Glockauer: In den letzten zehn Jahren ist die IHK-Organisation moderner geworden. Sie entwickelt sich Richtung Dienstleister. Selbstverständlich verstehe ich die Mitgliedsbetriebe, die sich nicht über den Beitragsbescheid freuen. Da sind wir auch aufgefordert, mit den Mitgliedern in Kontakt zu treten und in der Öffentlichkeit für uns zu werben. Das ist nicht immer Kuschelkurs, sondern dazu gehört auch Kritik. Wie wichtig ist die Kammer als Interessenvertretung für die Politik?Glockauer: Interessenvertretung ist kein Kampfsport, sondern Ausdauersport. Es geht hier um einen konstruktiv-kritischen Dialog, etwa wenn es darum geht, die Energiewende für Unternehmen umzusetzen. Wenn beide Seiten - Politik und Wirtschaft - hier vermittelnd zusammarbeiten, ist das ein Gewinn für beide.Ein Wort noch zur Region Trier. Herr Rössel, wie würden Sie für sie werben?Rössel: Die Region Trier hat einen hohen Lebenswert. Und wirtschaftlich ist sie stärker aufgestellt, als mancher denkt. Herr Glockauer, haben Sie Trier und die Region vor Ihrem Amtsantritt schon gekannt?Glockauer: Nur aus Erzählungen meiner Eltern, sie haben ihre Hochzeitsreise an die Mosel gemacht. Mein Vater war ein großer Rheinland-Pfalz-Fan.Extra

Arne Rössel stammt wie sein Nachfolger aus Hamburg. Der 47-jährige Diplom-Volkswirt war elf Jahre Hauptgeschäftsführer der IHK Trier und Federführer der Arbeitsgemeinschaft IHKs im Land. Davor war er Bereichsleiter bei der Handelskammer Hamburg, Regionalgeschäftsführer Allgäu der IHK Schwaben und Referent der IHK Karlsruhe. Rössel ist verheiratet und hat vier Kinder. sas Extra

Der 42-jährige leidenschaftliche Skifahrer ist in Hamburg geboren. Nach seiner Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann studiert er Jura. Als Mitarbeiter arbeitet er am Lehrstuhl unter anderem für Arbeitsrecht und Europarecht an der Uni Konstanz. Seit 2002 arbeitet er in mehreren Führungspositionen bei der IHK Hochrhein-Bodensee, vor allem in der Berufs- und Weiterbilduung. sas

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