Jobmaschine "Kohlpharma"

MERZIG. Beim Traditionskonzern Villeroy & Boch schwinden die Arbeitsplätze. Beim Dienstleister "Kohlpharma" geht es mit Riesenschritten aufwärts. Europas größter Arzneimittel-Reimporteur startet Ende 2006 ein neues Geschäftsfeld.

"Ich habe gerade mein Spanisch in einem Intensivkurs in Madrid verbessert." Edwin Kohl (55), geschäftsführender Gesellschafter der Pharma-Vertriebs-Gruppe Kohl in Perl und Merzig, schwärmt von der iberischen Halbinsel: "Dort ist Aufbruchstimmung. Überall stehen Baukräne." Ein Umfeld, wie geschaffen für den quirligen saarländischen Unternehmer. Längst hat Kohl für die Expansion mit seinem neuen Geschäftsmodell zur Versorgung alter, kranker Menschen zuhause ausländische Märkte im Visier. Wie Spanien. Individuelle Verpackungen für jeden Patienten

Der Gründer der Kohlpharma, Europas Nummer eins für reimportierte Arzneimittel, sucht ständig neue Herausforderungen. Nachdem das Stammgeschäft in den vergangenen Jahren auf Grund der Folgen der Gesundheitsreform eine Delle einstecken musste, soll das neue Geschäftsmodell für kontinuierliches Wachstum sorgen. "7 mal 4" heißt es. Das Prinzip: In einer Durchdrückpackung (Blister) werden die vom Arzt verordneten Medikamente individuell für den Patienten für sieben Wochentage und vier Einnahmezeitpunkte (morgens, mittags, abends und nachts) verpackt: Daher "7 mal 4". Der Vorteil: Dem älteren, kranken Patienten, und auf ihn zielt das Modell, geraten die verschiedenen Medikamente nicht mehr durcheinander. Das Modell basiert auf der engen Zusammenarbeit zwischen Arzt, Stammapotheke und Kohls Firma "Assist" in Merzig. Grundlage ist ein Sortiment von 400 Arzneimitteln, mit denen (fast) alle Alterskrankheiten abgedeckt werden können. Assist muss dieses Sortiment vorhalten, um es für jeden Patienten individuell zu konfektionieren. Ausgeliefert wird später durch die Apotheken. Der erste Modellversuch läuft derzeit im Saarland. Kohl: "Die Erfolge sind sehr ermutigend." Verpackt wird noch von Hand, weil die Verpackungsstraße erst Anfang 2006 in Merzig aufgebaut wird. Ein Test-Exemplar steht in Perl im Kohl'schen Stammbetrieb. "Bis jetzt funktioniert alles gut", ist Kohl begeistert. "Die Anlage ist in dieser Form einmalig auf der Welt. Wir haben internationale Patente beantragt", sagt Kohl. Regionalwirtschaftlich wird der neue Geschäftszweig der vom Stellenabbau bei Villeroy & Boch gebeutelten Unteren Saar einen gewaltigen Schub bringen. "Bis Ende 2007 werden wir rund 600 neue Arbeitsplätze geschaffen haben", kündigt Kohl an. Heute beschäftigt Kohlpharma (Umsatz 2005: erwartet 700 Millionen Euro) 940 Mitarbeiter, davon 60 im bundesweiten Außendienst. Assist zählt aktuell 250 Mitarbeiter, davon 190 im Außendienst. Ein solches Projekt kostet Geld. Rund 100 Millionen Euro sollen bis Ende 2007, dem ersten vollen Geschäftsjahr von "7 mal 4", investiert werden. Die Ertragslage des Familienunternehmens wird nicht publiziert. In Perl indes ist zu hören, dass sich die Banken im Hause Kohl mit Kreditzinsen keine goldene Nase verdienen. Kohl ist in den hektischen Zeiten der Gesundheitsreform mit dem neuen Projekt in erhebliche Vorlage gegangen. Ohne eine kerngesunde Ertragslage wäre das schwer gewesen. Ist ein Börsengang ein Thema? Edwin Kohl: "Ganz klar nein. Wir bleiben ein Familienunternehmen."

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