Handwerk Kammer leidet unter zu guter Konjunktur

Trier · Die Wirtschaft brummt bei Schreinern, Bauleuten und Co. so gut wie noch nie – so gut, dass sogar die HWK kaum Handwerker findet.

 Vor einem Jahr wurde der Spatenstich für das neue Bildungszentrum (BTZ) der Handwerkskammer Trier gefeiert.

Vor einem Jahr wurde der Spatenstich für das neue Bildungszentrum (BTZ) der Handwerkskammer Trier gefeiert.

Foto: Schwadorf, Sabine

Zahnkronen werden per CNC-Fräser ausgeschnitten oder mit dem 3D-Drucker passgenau für das Gebiss des Patienten ausgedruckt, Heizungsbauer und Gebäudetechniker erkunden den Passivhausstandard anhand der aktuellsten Technik, die Arbeit der Elektroniker und KFZ-Mechatroniker wächst zusammen, weil das Elektro-Auto Standard für die Verbraucher wird. Was sich nach Zukunftsmusik anhört, ist im Handwerk längst selbstverständlich, jedoch noch wenig bekannt. Das neue Bildungszentrum (BTZ) der Handwerkskammer Trier soll dem ab dem Ausbildungsjahr im Sommer 2019 Rechnung tragen und mit mehr als 400 Werkstattplätzen und 200 Unterrichtsplätzen das Handwerk in eine goldene Zukunft führen. Seit gut einem Jahr wird kräftig gebaut, das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich inklusive Ausstattung auf 44 Millionen Euro. Wo vor einem Jahr noch eine platte Erdfläche war, steht heute ein dreistöckiges Neubaugerippe.

Dass die aktuelle Lage im Handwerk mehr gut ist, hat die jüngste Konjunkturumfrage im Herbst gezeigt: Der Geschäftsklimaindex hat in der Region den höchsten jemals gemessenen Wert gezeigt, „die Lage ist kaum zu toppen“, sagt die Konjunkturexpertin der Handwerkskammer (HWK) Trier, Vera Meyer. 94 Prozent der heimischen Handwerker sind demnach mit ihrer Geschäftslage zufrieden. Die Geschäftsauslastung liegt bei 87 Prozent, zehn Prozentpunkte mehr als noch Ende 2016.

Doch der Segen der Branche ich gleichzeitig auch ein Fluch für die Kammer. „Wir als Bauherr leiden unter unserer eigenen guten Konjunktur“, sagt HWK-Hauptgeschäftsführer Axel Bettendorf. Auf Ausschreibungen gingen kaum Angebote aus der Region ein, bedauert er. Das Bauvolumen (Einzellose bei den technischen Gewerken bis zu drei Millionen Euro) und der Zeitdruck beim Bau erforderten zusätzlich eine gewisse Größe der Betriebe, die es in der Region kaum gebe. „Von daher lassen wir auch Arbeitsgemeinschaften zu, um leistungsfähigere Angebote zu bekommen“, sagt der Kammerchef. Dabei zeigt er durchaus Verständnis für die Betriebe. „In einem solch hohen Auftragsvolumen liegt auch ein Risiko, denn man bindet meist das ganze Unternehmen mit allen Mitarbeitern und ist ein Jahr lang vom Markt und für Stammkunden nicht greifbar“, sagt er.

Hinzukommt eine allgemeine Entwicklung am Bau: Wurden im Wiedervereinigungsboom der 1990er Jahre noch jährlich 700 000 Wohneinheiten in Deutschland fertiggestellt, sind es aktuell nur noch 300 000. Die Folge: Es gibt weniger große Bauriesen und weniger Baubetriebe. Auch im Mittelstand der Region. „So haben auch die kleineren Mittelständler mit weniger Neubauten eine gute Auslastung und einen Boom“, weiß der Hauptgeschäftsführer.

Für die Handwerkskammer Trier bedeutet der Neubau des BTZ nicht nur die Chance, mit dem ersten Bildungszentrum in Passivhausbauweise in Deutschland moderne Technik einzubauen, sondern sie an Lehrlinge und Meisterschüler auch weiterzugeben. Zwar ist die Fläche der Werkstätten mit 10 500 Quadratmetern um ein Viertel geschrumpft. Allerdings gibt es heute auch nur noch 3500 Ausbildungsverhältnisse im Handwerk (1980er Jahre: rund 8000). „Die Herausforderung besteht darin, Qualität und Detailwissen zu vermitteln. Ein Beispiel: Es muss gelingen, an den 14 Schweißplätzen im Dauerbetrieb einen Austausch von 50 000 Kubikmeter Luft in einer Stunde hinzubekommen“, sagt Bettendorf. Von daher seien neben Architekten auch Gebäudetechniker in den Bau mit einbezogen. „Wir müssen in Sparten denken und einerseits die Technik für Azubis in den Grundfertigkeiten vermitteln und andererseits Materialien und Maschinen für Meisterkurse stellen.“ So lernen angehende Meister im neuen BTZ anhand der Rohre und Leitungen auf Putz, wie der Passivhausstandard funktioniert. Denn schon seit 2017 darf etwa in Luxemburg nur noch nach diesen Regeln gebaut werden, in ganz Europa gilt ab 2019 eine solche Vorschrift. „Wir schulen damit unsere Handwerker nach neuester Technik und praxisnah“, sagt der Kammerchef. Noch liegen Bauzeit und Kosten in etwa im Plan. Verzögerungen im Rohbau von etwa fünf Wochen sollen mit einer „geschickten Auftragsvergabe“ aufgeholt werden. Denn für die neuen Azubis 2019 sollen Maschinen und Technik „nicht älter als ihre Lehrer sein, so wie es jetzt teilweise der Fall ist“, sagt der HWK-Chef.

Die Baufortschritte des Bildungszentrums der Handwerkskammer haben zwei Kameras aufgenommen:

 Der Neubau des Bildungszentrum der Handwerkskammer Trier nimmt allmählich Kontur an. Mitte 2019 sollen die ersten Lehrlinge und Meisterschüler die neuen Werkstätten nutzen können. 

Der Neubau des Bildungszentrum der Handwerkskammer Trier nimmt allmählich Kontur an. Mitte 2019 sollen die ersten Lehrlinge und Meisterschüler die neuen Werkstätten nutzen können. 

Foto: Schwadorf, Sabine
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