Landwirtschaft Der Verbraucher entscheidet, was er isst

Möhn · Es ist ein Hilferuf von der Katholischen Landvolkbewegung im Bistum Trier an die Politik und die Gesellschaft: Die Situation in der Landwirtschaft spitzt sich zu: der Klimawandel, die Nitratdiskussion, die Tierwohldebatte und nun noch die Afrikanische Schweinepest. Bei einem Besuch auf einem Tierwohlhof zeigt sich wie weit die Probleme in die Region hineinreichen.

 Besichtigen den Wohlfühlhof von Markus Hansen (rechts): Hildegard Frey, Rudi Leners und Raimund Fisch (von links).

Besichtigen den Wohlfühlhof von Markus Hansen (rechts): Hildegard Frey, Rudi Leners und Raimund Fisch (von links).

Foto: TV/Heribert WAschbüsch

Der Hof der Familie Hansen in Möhn (Landkreis Trier-Saarburg) schmiegt sich sanft in die leicht hügelige Landschaft. Neben dem Wohnhaus im 200-Seelen-Ort liegt der Sauenstall mit den Ferkeln, 200 Meter etwas außerhalb der Wohlfühlstall für die Mastschweine.

Hildegard Frey, Vorsitzende der KLB Trier, Raimund Fisch und Rudi Leners vom Landsozialen Ausschuss haben den Betrieb gut ausgewählt. Der Hansen-Hof ist ein Musterbetrieb in der Schweinehaltung. Zudem betreibt der Familienbetrieb eine Brennerei und stellt Obstbrände und Liköre her. Doch selbst ein solcher Vorzeigebetrieb gerät derzeit in den Strudel der vielen Ereignisse: Der Klimawandel hat auch in diesem Jahr die Ernte dezimiert und die Afrikanische Schweinepest (ASP) sorgt für einen Preisverfall.

„Schauen wir uns den Betrieb an“, lädt Markus Hansen die Delegation ein. Das ist ungewöhnlich, denn auf Grund möglicher Infektionen, die Menschen in die Ställe tragen können, lässt kein Landwirt Fremde in seinen Betrieb. Schon gar nicht in Zeiten der Afrikanischen Schweinepest. Doch im Betrieb Hansen ist das anders. 2018/19 wurde ein Tierwohlstall für Mastschweine aufgebaut. Dazu gehört ein Besucherraum, der den Blick ins tägliche Leben der Schweine erlaubt. Der Besucherraum hat eine große Glasscheibe, die den Blick in den Stall ohne jeden Berührungspunkt ermöglicht. 24 Stunden an sieben Tagen können hier Interessierte sich das Leben eines Mastschweines anschauen. „Das wird sehr gut angenommen“, erklärt Hansen, der dafür wirbt, dass die Landwirte offensiv mit ihrer Produktion die Verbraucher überzeugen. Was bekommt man hier zu sehen: Statt der vorgeschriebenen 0,75 Quadratmeter Fläche pro Tier haben die Schweine hier einen Quadratmeter Platz. Es gibt zwei unterschiedliche Böden, Beton und Kunststoff und in jeder Bucht gibt es für die Tiere Spielzeuge, einen Kratzbaum, zusätzlich Stroh oder sogar Spielketten mit Erdbeergeschmack.

Auf dem Betrieb werden 170 Zuchtsauen mit deren Ferkeln gehalten. Jährlich werden rund 2500 Mastschweine zur Schlachtung gebracht. Bei der Schlachtung und Vermarktung setzt der Landwirt aus Möhn auf kurze Wege. „Unsere Schweine werden in Wecker in Luxemburg geschlachtet. Das sind 25 Kilometer, wir fahren die Tiere hin – kurze Wege, ruhiger Transport – und dadurch haben sie keinen Stress.“ Danach werden die Tiere sofort schlachtfrisch zu den regionalen Metzgern geliefert. Gefüttert wird das Vieh mit eigenem Futter. „Gerste und Weizen von unseren Feldern sind die Hauptbestandteile. Doch der Klimawandel ist für uns eine Katastrophe. Die Ernten werden unbeständiger. Die Trockenheit setzt uns enorm zu.“

Raimund Fisch vom Landsozialen Ausschuss sieht hier auf die regionale Landwirtschaft sehr harte Zeiten zukommen. „Die schlechten Ernten treffen auch die vielen Milchbauern in der Region.“ Dabei ist es genau das, was die Katholische Landvolkbewegung schützen und erhalten möchte. „Die Strukturen mit unserer ländlichen Kulturlandschaft und dem christlichen Miteinander steht vor einer harten Probe“, sagt Hildegard Frey. Bei der KLB laufen viele Probleme auf. Landwirte, die bei dem harten Strukturwandel vor dem Aus stehen, die nicht wissen, wie sie in Zukunft mit ihrer Arbeit bestehen und leben können. „Depressionen und Suizidgefahr haben in den vergangenen Jahren zugenommen.“ Die Kinder von Landwirten werden gelegentlich gemobbt.

Selbst ein Musterbetrieb kommt bei Krisen an seine Grenzen. „Die Afrikanische Schweinepest ist für uns ein wirtschaftliches Desaster“, erklärt Hansen. Er vermarktet sein Vieh vorrangig bei regionalen Metzgereien, bei Elmars Metzgerei in Kordel und bei der Landmetzgerei Klos in Zerf, mit denen er vertrauensvoll zusammenarbeitet.

In der Region gibt es indes wenige Schweinehalter. Die etwa 140 Landwirte halten rund 65 000 Schweine. Landesweit sind das knapp 700 Bauern, die 188 000 Tier halten. Und die sind durch die jüngsten Krisen getroffen. Vor Corona lag der Basispreis bei etwa 1,70 Euro für das Kilo Schweinefleisch, danach ist er durch die Pandemie gesunken und liegt nun durch die Afrikanische Schweinepest etwa bei 1,27 Euro.

Der Grund: China hat nach einem ASP-Vorfall in Ostdeutschland alle Importe aus Deutschland gestoppt. Der Druck auf die Schweinebauern auch in Eifel und Hunsrück hat sich damit immens erhöht. Und diese Betriebe haben in der Regel einige Hunderte Tiere in der Haltung. 

Zum Vergleich: In einem der größten Betriebe in China werden auf sieben Etagen 30 000 Schweine aufgezogen.

Es ist diese Gesamtmengelage, die die Katholische Landvolkbewegung umtreibt. Hildegard Frey betont: „Der Strukturwandel ist extrem. Die Schweinepest, die Corona-Krise und die Trockenheit haben nun die Situation noch verschärft.“ Und Raimund Fisch fordert: „Die Politik mit dem Einkaufskorb muss sich ändern. Der Handel muss von den Dumpingpreisen für Lebensmittel weg.“

Doch der Verbraucher entscheidet, was er isst. Aufklärung ist deshalb für die KLB und die Landwirte ganz wichtig.

Wie das umgesetzt werden kann? „Die heimische Landwirtschaft muss im Dialog bleiben mit der Bevölkerung und der Politik“, gibt die KLB-Vorsitzende Frey den Weg vor. Wir müssen uns auf Strukturen besinnen, die kleiner und regional verankert sind, sowohl in der Landwirtschaft wie im Lebensmittelhandel.“ Der Hansen-Hof sei ein gutes Vorbild. Hier könnten sich Verbraucher umschauen und so ein Bewusstsein für eine nachhaltige regionale Landwirtschaft in einem Familienbetrieb erfahren.

Eine Alternative zeichnet Raimund Fisch auf: „Lebensmittel werden auch zukünftig produziert. Ist es uns jedoch egal wo und wie?“ Es sei deshalb wichtig, die regionalen, kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu unterstützen. Die KLB fordert deshalb unter anderem, die Betriebsprämie für kleinere Höfe zu erhöhen. Aufklärung ist aus Sicht von Hildegard Frey auch bei Verbrauchern wichtig. „Tiere bestehen nicht nur aus Filetstücken, sondern es gibt auch hochwertige aber günstige Teile, die sehr schmackhaft zu verarbeiten sind. Nicht jedes Stück muss ja auf den Grill.“

 Spielzeug und mehr Platz haben die Masttiere auf dem sogenannten Wohlfühlhof von Landwirt Markus Hansen in Möhn.

Spielzeug und mehr Platz haben die Masttiere auf dem sogenannten Wohlfühlhof von Landwirt Markus Hansen in Möhn.

Foto: TV/Heribert Waschbüsch
  Im Besucherraum erfahren Interessierte mehr über die Schweinezucht am Hof Hansen.

Im Besucherraum erfahren Interessierte mehr über die Schweinezucht am Hof Hansen.

Foto: TV/Heribert Waschbüsch

Markus Hansen ist überzeugt, dass regionale und saisonale Produkte Zukunft haben: „Lieber mal ein gutes Stück Fleisch an besonderen Tagen genießen.“

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