"Kein Aufschwung ist dauerhaft"

Berlin · Fast jeder zweite Mittelständler geht nach einer aktuellen Umfrage von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in Deutschland aus. Auch der private Konsum schwächt sich ab.

Berlin. Über die weiteren Konjunkturaussichten sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. Herr Horn, bis eben noch schien Deutschland im dauerhaften Aufschwung zu sein. Ist es damit jetzt vorbei?Gustav Horn: Kein Aufschwung ist dauerhaft. Auch das Statistische Bundesamt hat ja gerade erst mitgeteilt, dass sich die Konjunktur deutlich abgeschwächt hat. Und nach allen Prognosen ist auch im kommenden Jahr ein weiterer Rückgang zu erwarten. Sehen Sie eine neue Wirtschaftskrise?Horn: Da muss man differenzieren. Gemessen an den konjunkturellen Grunddaten haben wir nur den Höhepunkt des Aufschwungs überschritten. Allerdings gibt die Entwicklung auf den Finanzmärkten Anlass zu großer Sorge. Denn die wirtschaftliche Beruhigung findet in einem sehr unsicheren Umfeld statt. Und das beschwört schon die Gefahr einer tiefergehenden Wirtschaftskrise herauf. Welchen Einfluss haben Euro- und Schuldenkrise auf die deutsche Realwirtschaft?Horn: Der direkte Einfluss ist zunächst einmal nicht sonderlich groß. In Ländern wie Portugal oder Griechenland, die ihre Haushalte konsolidieren müssen, liegt die Wirtschaft am Boden. Das heißt, Deutschland kann dorthin kaum etwas exportieren. Diese Länder spielen in der deutschen Exportbilanz aber kaum eine Rolle.Horn: Richtig. Schlimmer ist, dass die Turbulenzen an den Finanzmärkten eine Stimmung erzeugen, die das Vertrauen sowohl der Kreditgeber als auch der Nachfrager erschüttert. Wenn das um sich greift, springt der Funke auf die Realwirtschaft über. Denn die Kreditnachfrager, also die Unternehmen, werden dann sagen, wir wollen gar keine Kredite für Investitionen, weil uns die Entwicklung zu unsicher ist. Spätestens dann ist die Wirtschaftskrise da. Im Moment gibt es dafür aber keine Anzeichen. Die Steuereinnahmen sind auf Rekordniveau und die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren.Horn: Diese sehr positiven Daten sind eher ein Blick zurück. Sie sagen wenig über die weitere Zukunft aus. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung tatsächlich zum Stillstand kommt, müssen wir auch wieder mit steigender Arbeitslosigkeit und sinkenden staatlichen Einnahmen rechnen. Zur Belebung der Konjunktur will die FDP den Rentenbeitrag um 0,8 Prozentpunkte senken. Ihr Argument: Dadurch könnten mindestens 100 000 Jobs entstehen. Geht die Rechnung auf?Horn: Nein, die Rechnung geht nicht auf. Konjunkturpolitische Maßnahmen sollten immer auf die Dauer einer möglichen Schwächephase begrenzt sein. Damit bekommen die Verbraucher einen echten Anreiz für mehr Konsum, der Arbeitsplätze schafft beziehungsweise sichert. Man denke nur an die erfolgreiche Abwrackprämie für Altautos. Und eine deutliche Beitragssenkung bringt keinen Spielraum für den Konsum?Horn: Permanente Beitragssenkungen, wie sie die FDP will, sind ein untaugliches Mittel, um die Konjunktur zu stimulieren. Die Leute sparen dann lieber das Geld, gerade weil die wirtschaftliche Lage unsicher ist. Das wissen wir aus vielen Untersuchungen. Als Konjunktur bezeichnet man ein über mehrere Jahre hinweg in einer Volkswirtschaft wiederkehrendes Grundmuster von Auf und Ab der wirtschaftlichen Aktivität. Weiterhin können mehr oder weniger regelmäßige Schwankungen ökonomischer Größen stattfinden - wie Produktion, Beschäftigung, Zinssatz und Preise -, die als Zyklen bezeichnet werden. Quelle: wikipedia

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