Klare Worte unter Freunden
TRIER. Tradition trifft Zukunft: Die Industrie- und Handelskammer Trier (IHK) hatte zu ihrem 150-jährigen Jubiläum mehrfach den Bogen zwischen Vergangenheit und Zukunft gespannt. "Es war eine sehr wechselvolle Geschichte, die unsere IHK durchlebt hat", begrüßte Kammerpräsident Wolfgang Natus die rund 400 Gäste aus Politik und Wirtschaft.
Die konjunkturelle Lage in Deutschland ist angespannt, die Positionen zwischen Politik und Wirtschaft festgezurrt, der Umgangston wird dabei bisweilen recht rau. Dies blieb auch bei den Feierlichkeiten der Industrie- und Handelskammer Trier nicht ganz außen vor, wenn sich auch Gastgeber Wolfgang Natus bemühte, die ganze "Heuschrecken-Diskussion" mit einem humorvollen Ausflug in die Zoologie zu entkrampfen. Weltweit gebe es 20 000 Heuschreckenarten, von denen rund 70 in Deutschland vorkämen - mit Eigenschaften wie zart, singend, bisweilen ängstlich, seien die nun allesamt nicht geeignet, einen Manager oder Unternehmer darzustellen. Kritik an der Politik
Abseits dieser bundesweiten Diskussion hatte der IHK-Chef dennoch der Politik einiges vorgeworfen: "Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem. In unserer föderal organisierten Demokratie mit der fein austarierten Machtbalance zwischen Bundestag und Bundesrat und unserem Konsensprinzip blockieren wir uns immer häufiger", sagte Natus. Notwendige Reformen würden so nicht auf den Weg gebracht, der Bürokratieabbau komme nur sehr zögerlich voran, weitere Hürden für die Wirtschaft würden hingegen ständig aufgestellt. Leidtragende dieser Fehlentwicklung seien meist die kleinen und mittleren Betriebe. Europaweit habe Deutschland die höchsten Unternehmenssteuersätze, gleichzeitig aber erziele Berlin im Verhältnis zur Wirtschaftskraft die niedrigsten Einnahmen. "Das liegt daran, dass die Großen und die Findigen mit Billigung des Gesetzgebers wenig bis keine Steuern zahlen, während der Mittelstand die volle Last zu tragen hat", sagt der IHK-Präsident. Deutliche Worte, die nicht ohne Wirkung blieben. Ministerpräsident Kurt Beck nahm das "Heuschrecken-Rennen" nur kurz auf ("Es gibt in Afrika Arten, die ganze Regionen kahl fressen"), betonte aber auch, "dass die Debatte um Unternehmenskultur in Deutschland richtig und wichtig ist". "Es geht hier doch nicht um den Mittelstand, der in seiner eigenen Region auch seine Heimat sieht, sondern um anonyme Konzerne, die ohne Rücksicht wirtschaften." Deutschland stehe vor schmerzhaften Veränderungen. Dabei sei es wichtig, diese Anpassungen möglichst optimal und im Einklang mit der Belegschaft anzugehen. Auch in Sachen "Umsetzungsprobleme" widersprach Ministerpräsident Kurt Beck seinem Vorredner. "Wir haben die Reformen ein großes Stück voran gebracht, wenn wir auch noch lange nicht am Ziel sind." Zum Feiern hatte der Ministerpräsident anschließend keine Zeit mehr. Heftig diskutierten die Gäste nach dem offiziellen Programm den Vortrag von Festredner Professor Arnulf Baring. Der Historiker malte in seiner Betrachtung "Deutschland - wohin gehst du?" düstere Zukunftsaussichten in den Raum. Die Deutschen hätten wenig Zukunftsvertrauen, keine geeigneten Führungskräfte und wenig Optimismus. Die Schuldenlast erdrücke die öffentlichen Haushalte, die Zahl der Arbeitslosen liege eher bei neun Millionen, statt bei den offiziell genannten fünf Millionen Menschen. Einen Grund für das nationale Dilemma sieht Baring in der zwölfjährigen Diktatur der Nationalsozialisten. "Warum seid Ihr nicht stolz auf Euer Land?", werde er häufig im Ausland gefragt. Um die Zukunft in Deutschland positiv gestalten zu können, seien aber Stolz, Optimismus und Ernsthaftigkeit gefragt. Und so beendete Baring passend den Festakt, der mit der Nationalhymne begonnen hatte, mit den Worten "es lebe die Republik". Für einigen Diskussionsstoff sorgten aber nicht nur die Reden beim Festakt, sondern auch das TV-Interview mit IHK-Präsident Wolfgang Natus. Seine Idee, mittelfristig Handwerkskammer und IHK zu einer Wirtschaftskammer fusionieren zu lassen, kommentierten HWK-Präsident Rudi Müller und HWK-Hauptgeschäftsführer Hans-Hermann Kocks mit freundlicher Zurückhaltung. "Wir werden natürlich auch weiter unsere Kooperationen und unsere Zusammenarbeit vorantreiben, doch es wird sicher auch mittelfristig nicht zur Fusion kommen", sagte Kocks dem TV. Die lebhaften Gespräche im Anschluss zeigten aber auch, dass es der Region sicher nicht an engagierten, selbstbewussten Führungspersönlichkeiten mangelt. Um die Zukunft der IHK Trier und der mittelständischen Wirtschaft müsste sich Baring demnach keine Sorgen machen.