Klebe-Effekt nutzen

Der Ausbildungsmarkt ist zweigeteilt: Neben Jugendlichen, die mit guten Noten und konkreten Vorstellungen schnell eine Lehrstelle finden, gibt es immer mehr junge Menschen, die beim ersten Anlauf nicht in die Gänge kommen.

Trier. In der Region sind inzwischen rund 50 Prozent der Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen, so genannte Altbewerber. Darunter verstehen die Fachleute von der Agentur für Arbeit jene Bewerber, die nicht aus dem aktuellen Abschlussjahr kommen. Toni Thull, Leiter der Berufsberatung: "Im April hatten wir knapp 50 Prozent Altbewerber, also rund 1600 junge Menschen, die schon länger auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind." Mehr als 60 Prozent von den Jugendlichen haben einen Hauptschulabschluss. Für diese jungen Leute wird es immer schwieriger, den Absprung noch zu schaffen. Die Ansprüche an Lehrstellenbewerber steigen. Wer im ersten Durchgang durch das Sieb gefallen ist, hat es beim zweiten Anlauf nicht leichter. Entsprechend forciert die Agentur für Arbeit ihre begleitenden Maßnahmen. Dirk Müller von der Berufsberatung: "Fördern und fordern, ist die Maxime. Unser Ziel ist es, die Jugendlichen fit für den Beruf zu machen." Dabei setzt die Berufsberatung deutliche Zeichen. In den verschiedenen Maßnahmen werden rund 1000 Jugendliche betreut, weitergebildet und ins Arbeitleben integriert. "Knapp 250 benachteiligte junge Menschen werden in den Ausbildungszentren in der Region ausserbetrieblich ausgebildet", sagt Toni Thull. Für dieses Jahr sind 72 zusätzliche Stellen, vor allem für Altbewerber, eingerichtet worden. Ein weiteres wichtiges Instrument ist das so genannte EQJ-Programm (Einstiegsqualifikation Jugendlicher), bei dem Betriebe, die unversorgte Ausbildungsplatzsuchende übernehmen, bezuschusst werden. 224 "berufsvorbereitende Plätze" kann die Berufsberatung für Benachteiligte oder Altbewerber anbieten und schließlich rund 500 Plätze "ausbildungsbegleitende Hilfen". Dieser Nachhilfeunterricht während der Ausbildung wird von der Arbeitsagentur unterstützt und hilft, die Abbrecherquote zu senken. Was die Altbewerbersituation in Rheinland-Pfalz angeht, ist die Ausgangslage deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt. Während im Land derzeit knapp 60 Prozent Altbewerber eine Stelle suchen, sind es bundesweit nur 55 Prozent. Neben dem verstärkten organisatorischen und finanziellen Einsatz der Berufsberatung müssten sich aber auch die Altbewerber engagiert einbringen, fordert Berufsberater Dirk Müller: "Wer als Bewerber nicht selbst aktiv wird, hat schlechte Karten." Die jungen Menschen sollten über Betriebspraktika ihre Chancen nutzen, rät er. "Der Klebe-Effekt eines solchen Engagements ist nicht zu unterschätzen." Beim "Tag der Ausbildung" am 21. Mai werden die Verantwortlichen bei den Betrieben versuchen, möglichst weitere Lehrstellen einzuwerben. "Das Ziel ist es, sieben Prozent mehr Altbewerber als im Vorjahr in Ausbildung zu bringen", sagt Toni Thull. Auch die Wirtschaft sieht die Problematik der "Altbewerber". Im Rahmen des Ausbildungspaktes setzt sie sich verstärkt für diesen Personenkreis ein. "Fast jeder Zweite aus dieser heterogenen Gruppe hat bereits entweder die Schule, die spätere Ausbildung oder ein Studium abgebrochen. Problem ist in vielen Fällen die mangelnde Ausbildungsreife, einhergehend mit oft unrealistischen Berufswünschen mit der Konsequenz schlechterer Chancen am Ausbildungsmarkt. Hier muss man noch mal ansetzen", sagt Marcus Kleefisch von der Industrie- und Handelskammer. Vielen "Altbewerbern" könnte mit einem gezielten und individuellen Coaching vielleicht noch in die richtige Spur geholfen werden, eine Idee, die die Wirtschaft jüngst am Ovalen Tisch für Ausbildung RLP eingebracht hat und die das in der Konsequenz fortführt, was bereits bei der Aktion "Chancengarantie" in gemeinsamer Kraftanstrengung der Partner des Trierer Lehrstellennetzwerkes erfolgreich praktiziert wurde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort