Kostenschub bei Hartz IV

Es ist scheinbar paradox: Seit Monaten geht die Zahl der Arbeitslosen zurück, aber die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II drohen erneut aus dem Ruder zu laufen. Rund 20,9 Milliarden Euro hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) für die Hartz-IV-Empfänger im Haushalt 2008 veranschlagt. Nach einer Übersicht des Bundesarbeitsministeriums wurden davon aber schon bis Ende Februar rund 3,84 Milliarden Euro ausgegeben.

Berlin. Hoch gerechnet auf das ganze Jahr müsste Steinbrück demnach Mehrausgaben von über zwei Milliarden Euro verkraften. Die gegenläufige Entwicklung erklärt sich aus der Tatsache, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen keinen Rückschluss zulässt, wie viele Arbeitssuchende tatsächlich staatliche Transfers beziehen. Im Vormonat registrierte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg rund 2,4 Millionen Erwerbslose, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Im Vergleich zum Februar 2007 ging ihre Zahl damit um 8,8 Prozent zurück. Insgesamt waren im Vormonat jedoch rund 6,8 Millionen Menschen von Hartz IV abhängig - also fast dreimal so viele wie in der Nürnberger Arbeitslosenstatistik ausgewiesen. Binnen eines Jahres ging ihre Zahl nur um 3,8 Prozent zurück. Die Masse der Leistungsbezieher sind demnach Kinder in Bedarfsgemeinschaften und solche Erwachsene, die vorübergehend aus der Statistik fallen. Dazu gehören zum Beispiel allein erziehende Mütter, die sich mangels eines Kindergartenplatzes selbst um den Nachwuchs kümmern müssen und deshalb dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Gemeint sind aber auch Personen, die in Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen stecken. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums warnte gestern davor, die Ausgaben von Januar und Februar zu verabsolutieren. Tatsächlich gelten die Wintermonate als "teuerste" Jahresszeit, weil die Erwerbslosenzahlen witterungsbedingt höher liegen. Die Erfahrung zeigt aber, dass Ausgaben für das Arbeitslosengeld II seit Einführung der Hartz-IV-Reform vor drei Jahren regelmäßig über den Haushaltsansätzen lagen. So wurden zum Beispiel für 2007 rund 21,4 Milliarden Euro veranschlagt. Am Ende summierte sich der Bedarf aber auf 22,7 Milliarden Euro. Für einen Kostenschub spricht auch die sich eher abkühlende Konjunktur. Denn wenn sich die Wirtschaftslage eintrübt, wird die Vermittlung gerade für gering qualifizierte Arbeitslose noch schwieriger. Ein weiterer Kostentreiber könnte die Anpassung der Altersrenten zur Jahresmitte sein. Wenn die Altersbezüge steigen, muss nach dem Gesetz auch der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger aufgestockt werden. Würde sich der Regelsatz zum Beispiel um einen Euro erhöhen, müsste Steinbrück zusätzlich insgesamt 80 Millionen Euro locker machen. Angesichts sinkender Arbeitslosenzahlen hatte der CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter schon Ende Februar gewarnt, "sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen". Reserven sieht Kampeter in der Effizienz bei der Arbeitsvermittlung. "Wir müssen das Geld mehr dafür ausgeben, dass die Leute wieder in den ersten Arbeitsmarkt kommen als sie dauerhaft in Transfers zu behalten." Trotz aller Erfolge sei eine Spaltung des Arbeitsmarktes unübersehbar. Und zwar in jene, die schnell einen Job bekämen und solche, die kaum vermittelbar seien. So wurden zwischen November 2006 und Oktober 2007 rund 1,6 Millionen Bedarfsgemeinschaften neu im Hartz-IV-System registriert. Jede fünfte davon hatte vor weniger als drei Monaten schon einmal Arbeitslosengeld II bezogen.

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