Kurzer Prozess

BERLIN. Gefragt danach, was für die Bahn "ländliche Regionen" seien, bekam man gestern von einem Sprecher des Unternehmens folgende Auskunft: "Das haben nicht wir, sondern die Gewerkschaft verbreitet. Wir schauen uns flächendeckend um." Es stimmt also, die Bahn macht kurzen Prozess bei ihren Fahrkartenschaltern.

Gab es vor drei Jahren noch 1000 Reisezentren in den 5700 Bahnhöfen, sind es heute gut 600, und es werden nach dem Willen der Eisenbahner bald nur noch 440 sein. Was aber nicht stimmt, ist, dass von der Schließungswelle ausschließlich das platte Land betroffen sein wird: Auch in den Großstädten will das Unternehmen von Bahnchef Hartmut Mehdorn die Schalter "auf ihre Wirtschaftlichkeit prüfen" und eventuell handeln - anders als in ländlichen Ecken "fällt das aber nicht so auf", räumte man seitens des Konzerns gestern ein. Hartmut Mehdorn, der Mann, der seine Bahn 2006 an die Börse bringen will, verschärft den Sanierungskurs noch einmal - Kostenreduzierung zur Verbesserung der Bilanz lautet sein Motto. Schließlich steht der Konzern mit 25 Milliarden Euro in der Kreide. Der Abbau von Reisezentren und die massive Einschränkung der Öffnungszeiten passen ins Bild, denn das Unternehmen will bis Ende 2005 etwa 1000 von 4200 Stellen in diesem Bereich sparen. "Die Bahn wird durchgehend saniert, dazu gehört auch der Vertrieb", heißt die Begründung. Kurzum: Die Vetriebskosten sind nach Ansicht der Eisenbahner zu hoch. Also sollen sich die Kunden ihre Tickets in den betroffenen Regionen künftig am Automaten, per Telefon, über das Internet oder in einem der an die 4000 Reisebüros und -agenturen mit Bahnlizenz besorgen. In großen Städten mag die neue Rechnung der Eisenbahner vielleicht aufgehen - private Ticketverkäufer kassieren allerdings ein "Service-Entgeld" zwischen drei und fünf Euro. Aber was ist mit Menschen in ländlichen Gebieten? Pech gehabt, scheint diesbezüglich die Devise des Konzerns zu lauten. Der Fahrgastverband Pro Bahn will die Schließung von Verkaufsstellen daher nur dort akzeptieren, wo Agenturen und Reisebüros in der Nähe der Bahnhöfe vorhanden sind. "Dann ist es okay", so der Verband - auch wenn der Weg meistens für den Bahnkunden weiter werden dürfte. "Wir wollen mit kundenorientierten Leistungen die beste Bahn für unsere Kunden und Mitarbeiter sein", hatte Mehdorn anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Bahn AG im Januar versprochen. Darauf beruft sich auch die Gewerkschaft Transnet. Nicht nur, weil weitere Arbeitsplätze abgebaut würden, seien die jüngsten Pläne nicht hinnehmbar. Der "Kahlschlag" bei den Schaltern stehe nun mal im eklatanten Widerspruch zum selbst gewählten Ziel, mehr Service anzubieten, so Transnet.

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