Leitplanken für die Landwirtschaft

St Vith · Die Bauern in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Ostbelgien haben sich zusammengetan: In der "St. Vither Erklärung" fordern sie erstmals gemeinsam, innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU mehr Rücksicht auf die Landwirtschaft der Großregion zu nehmen.

St. Vith. Die Zeit für die Bauern drängt: Nicht nur, weil nun der Frühling Einzug hält und die Landwirte zur Arbeit auf Äcker und Wiesen drängen. Auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2014 bis 2020 werden für die Landwirtschaft europaweit in den kommenden Wochen die Leitplanken gesetzt (der TV berichtete). In mehr als 30 Sitzungen wollen Rat, Parlament und Kommission in der EU bis Ende Juni einen Kompromiss erzielen. Frühestens 2015 könnte der dann auch auf den Höfen greifen.
Weniger Geld von der EU


Wie der Kompromiss im Detail aussieht, ist noch kaum auszumachen. Klar ist nur eines: Die Landwirte werden mit weniger Unterstützung von EU-Seite auskommen müssen, und als Kern der EU-Reform wird von den Landwirten ein Umweltbeitrag, das sogenannte Greening, eingefordert.
Grund für den Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, den belgischen Bauernbund und den luxemburgischen Bauernverband (Centrale Paysanne Luxembourgeoise - Cepal), auf gemeinsame Probleme der Bauern bei einer Tagung im belgischen St. Vith aufmerksam zu machen. Erstmals haben dazu die Verbände ein Positionspapier mit acht Punkten erarbeitet und ihre Forderungen für eine Agrarreform formuliert.
Die Unterstützung der rund 200 Bauern in St. Vith für mehr Wettbewerb und Marktgedanken in der Landwirtschaft ist den Funktionären dabei sicher. "Wir haben seit 2004 einen liberalisierten Markt, und die Milchquote läuft 2015 aus. Dennoch ufert die Bürokratie Jahr für Jahr aus", kritisiert der rheinland-nassauische Bauernpräsident Leo Blum.
In der "St. Vither Erklärung" setzen sich die Bauern vor allem für einen Erhalt der Direktzahlungen unabhängig von der produzierten Menge Getreide oder Fleisch ein - jedoch zu unterschiedlichen regionalen Bedingungen. Diese werden den Landwirten dafür gewährt, dass die meisten Agrarpreise seit 1995 in die Nähe des Weltmarktpreises gesunken sind. Denn laut Michael Horper, Vizepräsident des Bauernverbandes Rheinland-Nassau, machen diese in der Region bei knapp 300 Euro je Hektar Fläche - für mittlere Betriebe mit bis zu 100 Hektar Fläche - rund 40 Prozent ihres Einkommens aus. "Deutschland hat keinen eigenen Agrarhaushalt mehr. 90 Prozent des Geldes für die Bauern kommt aus Europa, ein vernünftiger Kompromiss ist deshalb für uns wichtig", sagt er.
Besonders zu schaffen macht den Landwirten auch das von der EU-Kommission avisierte Greening, eine Art Umweltbeitrag der Bauern. Das heißt: Grünland soll nicht einfach in Ackerland umgewandelt werden, Fruchtsorten sollen sich abwandeln, außerdem soll es sogenannte Vorrangflächen geben - ohne Chemie und ohne Bewirtschaftung durch die Bauern. Und wer nicht spurt, muss Strafe zahlen.
In der Region von Eifel, Ardennen und Ösling ein Problem, gibt es doch gerade dort viel Grünland, viel Wald, viele Milchviehhalter und viele Hügel. Weshalb auch die "St. Vither Erklärung" eine flexiblere Lösung des Greenings anstrebt. "Wir brauchen keine neuen Auflagen, wir haben heute schon ein hervorragendes Greening", wehrt sich Raymond Geiben, Vorsitzender des Verbandes deutschsprachiger Landwirte Belgiens.
Doch die EU sieht dies anders: "Wir können uns den Status quo nicht mehr leisten", sagt Silke Obst vom EU-Agrarkommissariat in St. Vith. Der Steuerzahler sei nicht mehr bereit, ohne eine Leistung der Bauern für Umweltauflagen zu zahlen.
Ein Vorwurf, den die Landwirte in der Großregion weit von sich weisen. "Als Landwirt hat man das Gefühl, wir zerstörten die Natur, dabei ist unsere Landschaft hier nicht durch Regeln und Bürokratie entstanden, sondern durch die Arbeit der Bauern", protestiert Bauernpräsident Blum.
Wachsende Umweltauflagen


Dennoch werden wachsende Umweltauflagen Kern der künftigen EU-Agrarpolitik sein. Dies hat jedenfalls gestern beim Treffen der 27 EU-Landwirtschaftsminister in Luxemburg die irischen Ratspräsidentschaft nochmals deutlich gemacht. Nun soll es um die Details gehen.
Und die sind haarig, spricht die CDU-Europaparlamentarierin Christa Klass immerhin von 8000 Änderungsanträgen zum Kommissionsvorschlag.
Für die grüne Landwirtschaftsministerin aus Rheinland-Pfalz, Ulrike Höfken, deren Regierung später mit für die Umsetzung für die deutschen Bundesländer sorgen soll, ist dabei "die Kontrollierbarkeit von Auflagen in ganz Europa" wichtig. "Dabei dürfen aber die ländlichen Räume nicht geschwächt werden."Extra

Wilfried Berg, Argenthal, Rhein-Hunsrück-Kreis: Wir sind ein viehhaltender Betrieb mit einem hohen Grünlandanteil. Ich hätte mir gewünscht, dass die bestehende Gründlandbewirtschaftung in der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik stärker berücksichtigt wird. Werner Petry, Körperich, Eifelkreis Bitburg-Prüm: Ich finde die Diskussion wichtig, um zu wissen, in welche Richtung die Politik will. Schon heute schützen wir viele Landschaftselemente. Ich hoffe darauf, dass beim Greening diese Vielfältigkeit der Landschaft berücksichtigt wird. Helmut Daun, Hörscheid, Vulkaneifelkreis: Es gibt weniger Geld für die Betriebe bei zusätzlichen Auflagen. Bei der neuen Fruchtfolgenregelung muss ich permanent rechnen, werde kontrolliert und am Ende bestraft. Diese Politik führt dazu, dass ältere Betriebsinhaber früher aufhören. Thomas Bisenius, Ernzen, Bitburg-Prüm: Ich bin Junglandwirt und mache eine Techniker-Ausbildung. Die kann ich bald an den Haken hängen, wenn die EU mir vorschreiben will, wann ich zu pflügen, zu düngen und zu ernten habe. Statt weniger gibt es wie immer mehr Bürokratie. sas

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