Macht über Rezeptblock

BERLIN. Die Ausgaben für Arzneimittel explodieren weiter. Allein für 2005 rechnen die Betriebskrankenkassen mit einem Rekordanstieg zwischen 15 und 19 Prozent. Dennoch bleiben die Beiträge zumindest 2005 stabil.

Gaben alle gesetzlichen Krankenkassen zusammen 2004 noch 21 Milliarden Euro für Arzneimittel aus, würden es bis Ende dieses Jahres rund 25 Milliarden sein, erklärte Wolfgang Schmeinck, Vorstandschef des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen. Für 2005 hätten die Kassen allerdings nur eine Kostensteigerung von 5,8 Prozent eingeplant. Im laufenden Jahr könne die überdurchschnittliche Kostenexplosion dennoch durch Einsparungen, etwa bei Zahnersatz oder Krankengeld, und durch Einnahmen an anderer Stelle, etwa aus der höheren Tabaksteuer, wieder ausgeglichen werden. Nach Einschätzung von Schmeinck dürfte es deshalb in diesem Jahr nicht zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Beitragssätze von 14,2 Prozent kommen. Damit widersprach der BKK-Chef mehreren Kassenmanagern, die rasche Beitragserhöhungen nicht ausschließen wollten. Ob das Beitragsniveau 2006 noch zu halten sein wird, sei jedoch offen. Das Zuzahlungsvolumen der Versicherten wird 2005 mit 2,4 Milliarden Euro auf dem Niveau des Vorjahres liegen und so konstant bleiben. Die Betriebskrankenkassen mit ihren über 14 Millionen Versicherten machen Ärzte, Apotheker und die Pharmaindustrie für die drastisch steigenden Arzneimittelausgaben verantwortlich. Von vielen Ärzten würden zu große Medikamentenmengen verschrieben. Der so genannte Hersteller-Rabatt, den die Pharma-Unternehmen auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, sei zudem von 16 auf sechs Prozent gesenkt worden. Außerdem würden zu oft teure patentgeschützte "Nachahmerpräparate" verschrieben, von denen Patienten jedoch "keinen größeren Nutzen haben als von herkömmlichen Medikamenten", die aber oft doppelt so teuer seien. Nachdrücklich forderten die Betriebskrankenkassen die Ärzte auf, nicht länger den "Einflüsterungen" der 15 000 Pharmareferenten zu erliegen, die sich in Arztpraxen die Klinke in die Hand gäben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Ärzteschaft trügen "eine direkte Verantwortung". Der müssten sie besser gerecht werden. In diesem Zusammenhang wies BKK-Chef Schmeinck darauf hin, dass die Kosten je Verordnung in den Bundesländern unterschiedlich seien. Während sie in Berlin, Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern mit bis zu 42 Euro besonders hoch lägen, seien sie im Saarland oder in Rheinland-Pfalz mit rund 35 Euro besonders niedrig. Schmeinck: "Die Ärzte haben mit dem Rezeptblock einen maßgeblichen Schlüssel für die Arzneimittelausgaben in der Hand." Unterdessen rief der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, Ärzte und Kassen gestern zu einer stärkeren Begrenzung der Arzneimittelausgaben auf. Schröder: "Ich erwarte, dass Ärzte und Kassen das, was gemeinsam vereinbart worden ist, besser umsetzen als sie das bisher gemacht haben."

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