Mehr Werbung für den Standort

NIEDERSCHEIDWEILER. Von wegen auf dem Land abgeschrieben: Unternehmen im Grünen haben Imagevorteile gegenüber der Konkurrenz aus der Stadt. Das sagt Unternehmensberater Manfred Sliwka, der vor Jahren selbst von Frankfurt nach Niederscheidweiler (Kreis Bernkastel-Wittlich) gezogen ist.

Erfolgreich im Grünen: Was ist für Betriebsgründer und Unternehmer auf dem Land ein absolutes Muss?Sliwka: Die ländliche Situation muss dem Kunden bewusst sein. Denn das ist heute ein Imagevorteil. Auf dem Land kann die Bindung viel stärker sein. Unternehmer auf dem Land zu sein setzen viele mit der Landwirtschaft oder traditionellen Handwerk gleich: Wovon können High-Tech-Betriebe, IT-Unternehmen und neue Medien profitieren?Sliwka: Die können sehr viel vom Image des ländlichen Raumes profitieren, wenn sie es denn verbreiten, etwa dass man auf dem Land in schönerer Umgebung arbeitet, dass man sich konzentrieren und nicht in der Hektik des Alltagsgeschäfts hängen bleibt, dass man für den Kunden sehr viel nachdenklicher arbeiten kann und dass die Atmosphäre zu exakterem Arbeiten anregt. Gilt das nur für kleine oder auch für größere Betriebe?Sliwka: Auch für größere. In Großbetrieben bildet man ja heutzutage schon "Profit Centers", das sind Geschäftseinheiten, die sich einzeln so verhalten, als wenn man es mit einem kleinen Unternehmer persönlich zu tun hätte. Einen Beratungsauftrag für ein Großunternehmen etwa habe ich dadurch bekommen, dass man uns sagte: ,Wir müssen die Tugenden des mittelständischen Unternehmens wieder kennenlernen. Die haben wir vergessen.' Was sind "mittelständische Tugenden"?Sliwka: Das ist die noch persönliche Bindung, der Chef kennt seine Mitarbeiter, er kann sie persönlich motivieren, das Unternehmen ist kein anonymer Apparat. Heutzutage wird man gleich an ein Call-Center weitergeleitet. Da gibt es keine Verbindung mehr zu dem Menschen, der auch geradesteht, wenn etwas nicht funktioniert. Bedeutet das auch, dass Unternehmen vom Land bei der Kunden- und Auftragsakquise besondere Bedingungen einhalten müssen?Sliwka: Sie sollen ihre ländliche Umgebung bewusst ausspielen. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass etwa eine Schreinerei aus der Eifel, die in Düsseldorf wirbt, bei ihren Mailings und Rundbriefen Prospekte ihrer Umgebung wie den Eifelmaaren dazulegen soll. Ist das eine neue Form der Unternehmensphilosophie?Sliwka: Gewisserweise ja. Schlimm wäre es, hier auf dem Land zu sitzen und so zu tun, als wenn sich das Unternehmen in Frankfurt befände. Das ist falsch. Auch ich hatte anfangs Bedenken, ob man mich und mein Beratungsinstitut noch ernst nehmen würde, wenn ich von Frankfurt nach Niederscheidweiler ginge. Doch diese Bedenken haben sich alle zerstreut. Im Gegenteil. Die Kunden kommen lieber hierher. Spielt damit das Selbstbewusstsein einer Region auch eine Rolle für den Erfolg ihrer Unternehmen?Sliwka: Ja, sicher. Wir haben hier zu wenig Selbstbewusstsein. Wir glauben, weil wir vom Land kommen, nicht ernst genommen zu werden, aber das stimmt nicht. Man gewinnt an Bedeutung, weil die Kunden sagen, der muss erfolgreich sein, weil er es sich leisten kann, vom Land aus zu arbeiten. Muss das jeder individuell klären, oder brauchen Unternehmer auf dem Land eine besondere Förderung?Sliwka: Das muss schon jeder mit sich selber klären. Das ist keine Frage des Geldes. Aber es wäre eine Aufgabe für die höheren Instanzen der Region, die an deren Imagepflege arbeiten, bewusst mit einzubeziehen, dass wir nicht nur Werbung für den Tourismus machen, sondern auch für den Standort Eifel-Mosel-Hunsrück. Brauchen Unternehmer auf dem Lande denn ein besonderes Rüstzeug, müssen sie aus besonders hartem Holz geschnitzt sein?Sliwka: Nein, aber sie müssen aus einem sehr kommunkativen Holz geschnitzt sein. Ich kenne Befragungen von Kunden aus ganz Deutschland, die von hiesigen Betrieben sagen, mit den Mitarbeitern komme man schnell in Kontakt, von denen habe man das Gefühl, man kenne sie schon lange. Auf dem Land suchen die Kunden Leute, mit denen man menschlich umgehen kann, die aber präzise arbeiten. Verlässlichkeit ist unheimlich wichtig. Was wären Ihre drei Gebote für Betriebsgründer auf dem Land?Sliwka: Erstens, ich stehe zu meinem Standort, versuche nicht, ihn zu kaschieren, sondern spiele es mit voller Seele aus. Zweitens gebe ich den Menschen, die weit weg von mir leben, das Gefühl, dass sie in der Nähe sind. Wir müssen uns so verhalten, als wenn der Kunde neben uns stünde. Drittens haben die kommunikativen Möglichkeiten über Fax, Telefonkonferenz und Internet die Verbindung zum Land gravierend verbessert. Das sollte man nutzen. Hat sich damit die Situation für Unternehmer auf dem Land im Lauf der Jahre verbessert?Sliwka: Sie hat sich ungeheuer verbessert. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter auf dem Land mehr Bindungen an die Firma haben, es ist eine Art Heimat. Allerdings werden oft Fehler dergestalt gemacht, dass Firmen aus der Region meinen, Führungsleute von außen rekrutieren zu müssen. Das geht oft schief. S Die Fragen stellte Sabine Schwadorf. Manfred Sliwka spricht auch beim Gründungstag der Initiative "Gründen auf dem Land" der lokalen Aktionsgruppe Vulkaneifel am Samstag, 28. Oktober, im Cusanus-Gymnasium Wittlich. Die Infomesse von 10 bis 18 Uhr mit mehr als 20 Ausstellern dient als Plattform und Kontaktforum aller Gründungseinrichtungen der Region.

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