Mehrwegquote bröckelt

BERLIN. Nach dem Dosenpfand droht den Verbrauchern auch eine Leihgebühr für Weinflaschen und Tetra-Paks.

"Ich will das Pfand auf Saftkartons und auf Wein verhindern", beteuerte Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) gestern in Berlin. Durch "ihre Blockadehaltung im Bundesrat" sorgten die unionsgeführten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen jedoch dafür, "dass es doch kommen könnte". Hintergrund des Verwirrspiels ist die geltende Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991, die vom damaligen CDU-Umweltminister Klaus Töpfer entworfen wurde. Die Bestimmungen unterscheiden zwischen Getränkearten in Einweg- und Mehrwegverpackungen. So lange der gesamte Mehrweganteil bei mindestens 72 Prozent liegt, ist es unerheblich, ob einzelne Getränkearten ihre gesondert vorgegebene Verpackungsquote unterschreiten oder nicht. Seit Jahren geht der Mehrweganteil jedoch spürbar zurück. Derzeit liegt er bei etwa 60 Prozent. Für solche Fälle tritt laut Verpackungsverordnung automatisch ein Pflichtpfand in Kraft. Zum 1. Januar 2003 wurde deshalb das Dosenpfand auf Einwegverpackungen für Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure eingeführt. Dem Umweltminister ist der Inhalt egal

Eine weitere Konsequenz könnte nun die Bepfandung von Weinflaschen und Tetra-Paks sein. Für Verpackungen bis zu 1,5 Liter wären 25 Cent fällig, bei größerem Volumen 50 Cent. Spätestens im Mai soll Klarheit herrschen, wie sich der Mehrweganteil bei Wein und Säften zwischen 2001 und 2002 entwickelt hat. Bleibt er wie vom Umweltministerium erwartet hinter den Mindestvorgaben zurück, würde nach geltendem Recht frühestens im kommenden Jahr das Pflichtpfand greifen. Nach den Vorstellungen Trittins soll die Leihgebühr nicht mehr vom Inhalt, sondern von der Umweltverträglichkeit der Verpackungen abhängen. "Demnach wären Getränkekartons pfandfrei, weil sie mittlerweile als ähnlich umweltfreundlich wie Mehrwegflaschen gelten", argumentiert Trittins Ministerium. Da für Wein ohnehin kein bundesweites Mehrwegsystem existiert, sollte auch dieser Bereich vom Pflichtpfand ausgenommen werden. Die entsprechende Novelle vom April letzten Jahres liegt jedoch im Bundesrat auf Eis. EU beanstandet Dosenpfand

Die unionsdominierte Länderkammer stört sich grundsätzlich an einer Leihgebühr auf Einwegverpackungen. Auch die EU-Kommission beanstandet das Dosenpfand. Darüber hinaus ist bereits eine Klage der Verpackungsindustrie gegen die Bepfandung von Tetra-Paks anhängig. Das muss die Verbraucher auch deshalb freuen, weil das Gerichtsverfahren eine aufschiebende Wirkung beim Pfand haben könnte. So lange die Länder der Novelle nicht zustimmen, bleibt die alte Verordnung in Kraft, heißt es in Trittins Ressort. Auf den Unsinn einer Pfandpflicht für Weinflaschen verweist der Bundesverband der Deutschen Weinkellereien und des Weinfachhandels in Trier: "Das gäbe ein unglaubliches Chaos", sagte Geschäftsführer Peter Rotthaus unserer Zeitung. Der Mehrweganteil könne kaum erhöht werden, weil zum Beispiel Weinkisten nur in wenigen Gegenden der Bundesrepublik absetzbar seien. Vielfach lagere der Wein auch für länger Zeit in Privatkellern. Daher könne es beim Pfand keinen Kreislauf geben. "Außerdem liegt der Importanteil bei etwa 50 Prozent. Wer soll eigentlich diese Flaschen zurücknehmen", fragt Rotthaus.

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